Premiere war fabelhaft (mit zwei f)

Vielbelacht und vielumjubelt: „Die Feuerzangenbowle“ bei den Festspielen Schloss Neersen.

Foto: Friedhelm Reimann

Neersen. Bei der Begrüßung der 500 Gäste war Festspiel-Intendant Jan Bodinus selbstbewusst. „Ich bin sicher, dass das Gewitter an uns vorbeiziehen wird. Und ich bin davon überzeugt, dass wir heute Abend viel lachen werden“, sagte er am Samstag vor der Premiere der Komödie „Die Feuerzangenbowle“. Bodinus sollte in beiden Fällen Recht behalten. Das Gewitter war nur akustisch in der Ferne wahrzunehmen. Und das Stück auf der Bühne begeisterte das Publikum bei den Schlossfestspielen.

Es birgt immer ein gewisses Risiko, wenn man einen Klassiker inszeniert. Nahezu alle Besucher kennen die Vorlage und ziehen Vergleiche - im Fall der „Feuerzangenbowle“ ist damit der Film mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle aus dem Jahr 1944 gemeint. Regisseur Bodinus geht hohes Risiko, indem er sich stark an der Vorlage orientiert. Aber die Rechnung geht auf: Das Publikum taucht ein die Zeit der Wende zum 20. Jahrhundert und amüsiert sich köstlich.

Fabelhafte Feuerzangenbowle-Premiere
44 Bilder

Fabelhafte Feuerzangenbowle-Premiere

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Im Mittelpunkt der Geschichte steht Schriftsteller Dr. Johannes Pfeiffer („mit drei f“), der sein Abitur nach Privatunterricht gemacht und somit nie eine „Penne“ besucht hat. Nach einer arg alkoholisierten Männerrunde beschließt er, sich als Schüler in ein Gymnasium zu schleichen und diese verlorenen Jahre voller Streiche und „Lehrkörper-Originale“ kurzerhand nachzuholen.

Das bereitet Hans, wie Pfeiffer als Schüler heißt, und dem Publikum viel Freude. Hauptdarsteller Gideon Rapp verkörpert Pfeiffer nahezu in Perfektion. Besonders dann, wenn die Klasse im Chemieunterricht von Professor Crey die alkoholische Gärung live erlebt, braucht Rapp den Rühmann-Vergleich nicht zu fürchten.

Bestnoten haben sich auch die Kollegen verdient, die mit Hans Pfeiffer die Schulbank drücken. Die jungen Schauspieler Miguel Jachmann (Melworm), Sebastian Teichner (Knebel), Sven Tillmann (Husemann), Jan Wenglarz (Luck) und Stefan Henaku-Grabski (Ackermann) mimen die flegelhafte Gruppe, wirken frisch und bilden dabei nicht nur eine Klasse. Sie und Spielmacher Rapp sind ein klasse Team.

Wichtige Säulen des Ensembles sind Jan-Christof Kick (Professor Crey) und Sven Post (Professor Bömmel). Kick überzeugt dabei mit dem legendären Crey-Akzent („Sätzen Se sich!“) und ist dabei weit mehr als eine Kopie. Sven Post erklärt als Professor Bömmel nicht nur die „Dampfmaschin’“, seine sprachliche und physische Präsenz lassen ihn zu einer Art „Bühnen-Dampfmaschine“ werden. Einzige kleine Schwäche: Der rheinische Dialekt Bömmels wirkt bei Post an der einen oder anderen Stelle etwas gestelzt.

Auch die bekannte TV-Schauspielerin Sarah Elena Timpe ist perfekt in das Stück eingebunden. Voller Freude und Leichtigkeit spielt sie die Rektoren-Tochter und Musik-Referendarin Eva, die letztlich zu Pfeiffers Braut avanciert. In dieser Rolle überzeugt sie nicht nur die pubertierenden Oberprimaner.

„Wir alle waren in der Schule. Ich glaube, dass darin das Erfolgserlebnis dieses Stoffs liegt“, sagte Intendant Bodinus vor der Premiere. Nach rund zwei Stunden kann man ihn darin nur bestätigen. Wie beim Anschauen des Films kommen einem auch beim Miterleben des Bühnenstücks in Neersen unweigerlich die „Lehrkörper“ in den Kopf, unter denen man selbst gelitten, pardon gelernt hat. Diese Premiere war einfach nur fabelhaft (mit zwei f).