Schiefbahn: Heinz Erhardt zum Greifen nah
Stefan Keim hat die Eigenarten des berühmten Komikers perfekt verinnerlicht. Er begeisterte viele Gäste in der Bücherei.
Schiefbahn. "Ich heiße nicht nur Heinz Erhardt, sondern auch Sie herzlich willkommen": Stefan Keim (42) aus Wetter an der Ruhr hat die Rolle die bereits 1979 verstorbenen Vortragskünstlers vollkommen verinnerlicht - und dafür gesorgt, dass die Stadtbücherei bis auf den allerletzten Platz ausverkauft war.
Der Kulturjournalist trat vor allem als Heinz Erhardt auf. Aber immer, wenn er die Brille abnahm, wurde er zu Stefan Keim. Aus dieser Perspektive beleuchtete er die Person Heinz Erhardt: Er erzählte auf lebendige Weise von dessen Angst, beim Publikum in Vergessenheit zu geraten. Dies Angst habe dazu geführt, dass er sich nie eine Auszeit gönnte.
Keim berichtete von dem unsteten Leben des Jugendlichen Erhardt, bedingt durch die Scheidung der Eltern und seine glückliche Zeit bei den Großeltern in Riga. Und ganz zum Schluss gab er noch eine Kostprobe kaum veröffentlichter, eher ernster Texte: Erhardt, der ängstliche Workaholic, wollte sein Image nicht in Gefahr bringen.
Die Besucher, offenbar durch die Bank eingefleischte Erhardt-Fans, kannten die Texte. Sie hatten aber ihre Freude daran, sie aus dem Mund von Stefan Keim zu hören, der ebenso wie sein Vorbild ein glänzender Conferencier war, der auf das Publikum ein- und zuging, der sogar aus vier vorgegebenen Begriffen spontan eine Ode dichtete.
Gegenüber der WZ verriet Keim, was ihn an Erhardt so reizt: "Er hat schon literarisches Niveau. Die Klassiker-Parodien setzen beim Publikum ein gewisses Wissen voraus." Er selbst habe als Kind eine Heinz-Erhardt-Schallplatte geschenkt bekommen und später die Erfahrung gemacht, dass es immer gut ankam, wenn er in die Rolle von Heinz Erhardt schlüpfte.
Das war jetzt in der Stadtbücherei nicht anders. "Ritter, Reime und Romanzen" war ein Programm wie aus einem Guss. Stefan Keim bekam die Übergänge blendend hin.
War Erhardt so etwas wie der erste Comedian? Vielleicht. Seine Texte strapazieren auch die Lachmuskeln, sind jedoch geistreich und das Ergebnis eines gekonnten Spiels mit der Sprache.
Gerne gab’s von ihm noch eine Schlussfolgerung als Lebensweisheit dazu. Über den kleinen Ritter Fips, der schon als Baby in eine Rüstung gezwängt wurde, hieß es beispielsweise: "Die Rüstung muss, ist man noch klein, besonders unten rostfrei sein."
Wie Erhardt die Schuld der Deutschen im Zweiten Weltkrieg auf den Punkt brachte? "Doch hilft das Waschen nicht und Reiben - die Flecken bleiben."