Unterricht auf Distanz Schiefbahn: Nadine Heuser im virtuellen Klassenzimmer

Schiefbahn · Schüler vermissen die Schule, stellt die Lehrerin am St. Bernhard-Gymnasium in Schiefbahn fest. Die Kinder wenden sich auch mit Sorgen an sie. Nähe trotz Distanz.

Desktop statt Tafel: Englischlehrerin Nadia Heuser an ihrem Arbeitsplatz im Homeoffice.

Foto: Nadia Heuser

„Ich bekomme zurzeit unglaublich berührende Briefe“, erzählt Nadine Heuser, Lehrerin am St. Bernhard-Gymnasium in Schiefbahn. Zurzeit, damit meint sie auch Tage in den Osterferien. Denn der Kontakt zu ihrer sechsten Klasse, in der sie Englisch unterrichtet, ist mit Ferienbeginn nicht abgebrochen. Dazu hat Nähe trotz Distanz während der Corona-Pandemie geführt.

Manchen Schülern gehe es nicht gut damit, dass sie seit Wochen zu Hause sind und keine persönlichen Kontakte außerhalb der Familie haben. Die Schule wird vermisst. Klassenkameraden. Gewohnte Abläufe.

Homeoffice und Chat
statt Klassenraum

„Ich höre nun sehr viel Persönliches“, sagt Heuser. Viel mehr, als sie zu normalen Unterrichtszeiten mitbekommen könne. Das liegt daran, dass der Schüler-Lehrer-Kontakt zurzeit vor allem schriftlich gehalten wird und Kinder auch ihre Sorgen mitteilen.

Begonnen hat es mit den Hausaufgaben, die Heuser an ihre Schüler versandte, weil im März der Unterricht auf Distanz den auf dem Gelände an der Albert-Oetker-Straße ersetzen musste. Homeoffice und Chat statt Klassenraum und Unterricht. „Ich habe bewusst keine trockenen Grammatikaufgaben gestellt, sondern ein Aufsatzthema in Briefform, wie es den Schülern in der ersten Corona-Woche ergangen ist, was sie gemacht und gespielt haben.“

Im Moment könne sie intensiver auf Schüler eingehen, denen die Situation zu schaffen mache, so Heuser: „Sie schreiben mir das, manchmal direkt, manchmal verklausuliert. Es entwickelt sich ein Briefwechsel.“ Sie freue sich jeden Tag über die Schülerbriefe. Sogar an einem Sonntag habe sie einer erreicht. Auch ein Zeichen dafür, dass „die üblichen Unterrichtszeiten außer Kraft gesetzt“ seien.

Am Anfang habe die Umstellung von analogen zu digitalen Unterrichtsinhalten eine große Herausforderung dargestellt. Es galt, den Unterrichtsalltag umzustellen und Inhalte für die Bearbeitung zu Hause zur Verfügung zu stellen. Vorteilhaft: „Wir hatten bereits auf Office-Cloud umgestellt und nach einer Fortbildung teilweise damit gearbeitet. Jetzt zahlt sich das aus.“ Für Schüler und vor allem jüngere Kollegen habe die Umstellung zügig geklappt. Sie arbeiten in Schülerteams über die App. Über ein Chatprogramm könne man Aufgaben verschicken, sehen wer sie angeklickt habe und die Aufgaben bearbeitete. Rückläufer könnten gleich korrigiert werden, Probleme direkt besprochen werden.

„80 Prozent der Schüler
sind sehr fleißig“

Heuser akzeptiert getippte Hausaufgaben, aber auch Handschriftliches, das eingescannt wird. Akzeptiert werde, dass die Schüler zu jeder Zeit ihre Aufgaben erledigen könnten. Das führe aber auch dazu, das sich „Unterrichts- und Reaktionszeiten“ für Lehrer ausdehnen. Da sei Flexibilität gefragt.

Einige Kollegen hätten sich anfänglich mit der Menge der Materialien verkalkuliert. Sie verloren angesichts der Flut zurückgesandter Lösungen fast den Überblick. Aber das habe sich schnell eingespielt, so Heuser. „80 Prozent der Schüler sind sehr fleißig.“ Andere müsse man noch einmal anstupsen.

Dass sich Schüler nicht mit Aufgaben beschäftigen, hat zuweilen andere Gründe als fehlende Lust oder Zeit. Heuser nennt ein Beispiel: „Nicht in allen Haushalten gibt es genug Endgeräte.“ Sprich PCs oder Laptops. Wenn dann ein Elternteil oder beide im Homeoffice zu Hause sind, ist eine Absprache über Zeiten am PC wichtig. Man müsse sich zu Hause strenger organisieren, sagt Heuser. „Viele Schüler spiegeln mir, dass sie lieber in der Schule wären.“

Wie gut der persönliche Austausch, das gegenseitige Mutmachen und Zeichen der Solidarität auch ihr tun, verschweigt Lehrerin Heuser nicht. So nennt sie beispielsweise die Aktion des Fördervereins der Schule, der in dieser Phase Geräte an Familien verliehen hat.

Video-Grußwort
der Schulleiterin

Oder Grußworte von St. Bernhard-Leiterin Margret Peters an die Schulgemeinde. „Sie ist eine emotionale Stütze, die uns gut tut“, sagt Heuser.

Zu Ostern hat sich Peters mit einem Video direkt an Schüler und Eltern gewandt. Es zeigt Bilder vom St. Bernhard-Gelände, Gebäude,  Park,  Mensa, die Villa. Es zeigt eine Schule ohne Schüler. Ausgesprochen merkwürdig sei das Gefühl, so Peters, morgens auf einen fast leeren Parkplatz zu fahren. Die Stille in den Gebäuden, die Leere im Park. Auf den Bildern fehle „ganz entschieden etwas: ihr Schülerinnen und Schüler“. Vermisst wird die Ausgelassenheit einer Motto-Woche der Abituriente. Peters denkt an „normale letzte Schultage“, an denen „alle gut gelaunt und vor allem laut in die Ferien aufbrechen. Wir merken, was uns fehlt“. Es sei eine gute Idee, genau das aufzuschreiben, festzuhalten für später. Sich freuen auf später – „wenn die jetzige Stille wieder mit Leben gefüllt wird“. Das tut Peters.

Auf ein baldiges Wiedersehen freut sich auch Nadia Heuser. Auf die gewohnte Nähe zu ihren Schülern – nach Wochen räumlicher Distanz.