Landesweite Durchsuchungen in NRW St. Tönis: Razzia bei Chef-Salafist
Ein 32-Jähriger von der Gelderner Straße gilt bei den Behörden als „Wanderimam“. Er soll Freiwillige für den Kampf des „Islamischen Staates“ angeworben haben.
St. Tönis. Das kleine Haus wirkt ziemlich unscheinbar, die Rollladen sind heruntergelassen. Und dennoch ist das Gebäude am Mittwoch bereits zum zweiten Mal in vier Jahren zum Ziel von Polizeifahndern geworden. Im Zuge der landesweiten Razzien gegen Unterstützer des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Schwerpunkten in Dortmund, Düsseldorf und Duisburg sind die Polizisten des Landeskriminalamtes am Mittwoch auch an der Gelderner Straße in St. Tönis in Aktion getreten. Eine Festnahme gab es nach Darstellung des Landeskriminalamtes in Düsseldorf nicht.
„Es war jede Menge Polizei hier“, berichtet ein Anwohner, der die Sache seit 8.30 Uhr beobachtet hat. Unter anderem mit Hunden werden die Wohnräume durchsucht. Später fährt ein Transporter vor, in den die Beamten beschlagnahmte Gegenstände laden, zum Beispiel Computer. Die Durchsuchung richtet sich — so eine Recherche der WZ — möglicherweise gegen einen 32-jährigen Iraker, der in der salafistischen Szene unter dem Namen Abu Walaa bekannt ist und der Unterstützer für den IS geworben haben soll. Er ist an dieser Adresse auch gemeldet, sein bürgerlicher Name steht auf der Klingel, eine Kamera an der Eingangstür ist überklebt. Abu Walaa gilt als einer der führenden Köpfe der Salafistenszene in Deutschland. Er soll der Frankfurter Gruppe „Dawa“ angehören, was soviel bedeutet wie „Ruf zum Islam“. Abu Walaa soll einer der führenden Prediger der Gruppe sein.
Der Gesuchte spielt in den Berichten des Verfassungsschutzes immer wieder eine Rolle. Im niedersächsischen Landtag gab’s sagar eine Anfrage zum Thema „Wanderimame“ — Hassprediger, die als „Stargäste“ in fragwürdigen Moscheen auftreten.
Abu Walaa war auch Ziel einer Polizeiaktion in Hildesheim Ende Juni. Dort gab es eine Razzia beim „Deutschsprachigen Islamkreis“. Während eines „Islam-Seminars“ vor gut drei Jahren soll der Iraker die Mitglieder aufgehetzt haben. Eine Zeitung berichtet, dass 24 Mitglieder nach Syrien und den Irak ausgereist seien, um dort für den IS zu kämpfen.
Zurück nach St. Tönis: In dem Haus an der Gelderner Straße wohnt dem Vernehmen nach nicht nur der Prediger, sondern auch seine Familie mit drei Kindern. Die Frau ist manchen Anwohnern schon deswegen aufgefallen, weil sie eine Ganzkörper-Verschleierung trägt.
Kaum hat am Mittwoch die Razzia begonnen, möchte ein Kind aus der Wohnung Fußball spielen — auf dem Bürgersteig. Das sei zu gefährlich, signalisiert ein Polizist. Bei der Razzia interessieren sich die Beamten auch für einen Mercedes mit Duisburger Kennzeichen, der in unmittelbarer Nachbarschaft geparkt ist. Ob das Fahrzeug in einem Zusammenhang mit der Razzia in Duisburg steht, wurde am Mittwoch nicht bekannt.
In der Nachbarschaft war bereits gemunkelt worden, dass der Anbau hinter dem Haus eine illegale Moschee sei. Das ist definitiv nicht der Fall. Bei der gestrigen Begehung stellten die Ermittler fest, dass es sich um einen ganz normalen kleineren Baukörper handelt.
Bereits vor vier Jahren hatte die Polizei das Haus einmal durchsucht, wollte Abu Walaa festnehmen. Der war aber nicht vor Ort. Damals gelang es anderen Einsatzkräften, ihn in Braunschweig zu fassen. Das geschah vermutlich in einem der drei Textilläden, die ihm damals gehörten.