Willich Stautenhof lässt sein Team rotieren

Alle Mitarbeiter durchlaufen eine Praktikumswoche in den verschiedenen Abteilungen des Hofs, in der Landwirtschaft, Metzgerei, Bäckerei und im Hofladen.

Willich: Stautenhof lässt sein Team rotieren
Foto: Kurt Lübke

Anrath. Das Bistro-Team des Stautenhofs in Anrath muss in der kommenden Woche ohne Tanja Stieg auskommen. Sie tischt ausnahmsweise weder Frühstück noch Mittagstisch auf. Tanja Stieg wird im Schweinestall zu tun haben. Oder auf dem Feld. Oder in der Metzgerei. Denn die Mitarbeiterin hat das Rotations-Los gezogen und freut sich „wie ein Schneekönig“.

Mitarbeiter-Rotation — das ist ein Instrument, mit dem Christoph und Beate Leiders die Zufriedenheit ihrer insgesamt 55 Mitarbeiter auf dem Stautenhof erhöhen wollen. Die Idee: „Wir wollen das Verständnis der Abteilungen füreinander stärken“, sagt Christoph Leiders. Manchmal sei in Gesprächen deutlich geworden, dass sich einzelne Abteilungen „nicht grün“ waren. Meistens ging es um Kleinigkeiten. Da reifte der Gedanke, die Mitarbeiter in andere Bereiche hineinschnuppern zu lassen. „Gute, zufriedene Mitarbeiter zu finden, das wird für Betriebe die größte Herausforderung der Zukunft sein“, sagt Leiders.

Doch so richtig wollte die Rotation zunächst nicht ans Laufen kommen. Leiders: „Wir hörten aus den Abteilungen, das gehe nicht, weil einer in Urlaub oder eine andere krank sei.“ Daraufhin entschloss man sich, per Los entscheiden zu lassen. Seitdem wird jeden ersten Samstag im Monat nach Feierabend ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin gezogen. Namenszettel werden in einer Schale gesammelt und wie bei der DFB-Pokal-Auslosung der nächste Name gezogen. Leiders: „Mindestens ein Drittel der Belegschaft ist dann Augenzeuge und wartet gespannt auf den nächsten Namen.“

Fünf Mitarbeiter aus den landwirtschaftlichen Abteilungen, aus Produktion und Verkauf haben schon die Rotationswoche hinter sich gebracht. Ihre Reaktion, sagt der Chef: „Sehr positiv.“

Das bestätigt Irene Burlage. Sie ist seit 1999 auf dem Stautenhof beschäftigt, zunächst in der Metzgerei, jetzt in der Küche tätig. „Die zwei Tage Landwirtschaft waren sehr, sehr interessant Das war ein cooles Erlebnis.“ Sie selbst komme aus der Landwirtschaft, sei damit groß geworden, sagt die 60-Jährige. „Es hat sich in der Tierhaltung im Vergleich zu früher viel verändert. Aber es ist immer noch abwechslungsreich und vielseitig“, schwärmt sie. Sie war beim Kartoffelroden dabei, hat Eier gesucht, Schweine gefüttert und die ferkelnden Sauen versorgt. „Das war schon anstrengend. Das waren keine Urlaubstage“, lacht sie. In der Backstube habe sie gelernt, dass noch viel Handarbeit sei. „Jetzt schätzt man Brötchen und Teilchen ganz anders, wie viel Kraft und Energie in dieses Handwerk hineinfließt.“

Das Verständnis für die Kollegen, die ebenfalls täglich den Stauenhof anfahren, die man aber nicht zu Gesicht bekommt, weil man woanders arbeitet, sei auf jeden Fall gestiegen, so Burlage. „Ich hätte die Rotation noch länger durchziehen können.“

Tanja Stieg freut sich ebenfalls auf die neuen Einblicke. „Landwirtschaft ist für mich komplettes Neuland“, sagt sie.

Keiner in der Belegschaft hat die Chance auf Rotation bisher ausgeschlagen. Leiders: „Wir haben eine Mitarbeiterin, die hat Angst vor Schweinen. Sie wird nicht im Stall eingesetzt. Für sie finden wir eine Lösung.“ Grundsätzlich habe sich aber niemand ganz rausgezogen.

Für eine Rotationswoche pro Mitarbeiter investiert Familie Leiders 600 Euro. Sie ermöglicht Mitarbeitern außerdem Praktika auf vergleichbaren Höfen in Süd- oder Ostdeutschland. „Von dort bringen die Kollegen gute, neue Ideen mit.“ Auch ein Profit, von dem sich der Stautenhof-Chef viel erhofft. Denn über den Tellerrand schauen — das gilt auch für Chefs.