Tönisvorst: Die neuen Kartoffeln sind da

Seit Anfang der Woche rollt Hans-Leo Sieben mit seinem Vollernter übers Feld. Die Kunden freuen sich über die ersten frischen Knollen.

Tönisvorst. Das ist gerade nochmal gut gegangen. "Band aus!", brüllt Kartoffelbauer Hans-Leo Sieben seinem Gesellen Andreas Lausemann zu. Das läuft zwar sowieso schon extra langsam, aber es soll sich nicht auch nur ein einziger Erdklumpen in den Sack verirren, in den die kleinen goldbraunen Frischlinge nach und nach plumpsen.

Da sind Kennerblick und flinke Hände gefragt: In Windeseile fliegen die Finger von Sigrid Sieben über das ratternde Band. Scheinbar ohne nachzudenken schmeißt sie Erdklumpen, Steinchen und nicht ganz perfekte Feldfrüchte einfach raus, während der Vollernter langsam und rumpelnd übers Clörather Feld holpert. Die riesige Maschine befördert kontinuierlich das nach oben, was viele für selbstverständlich halten mögen.

Doch Hobbyköche, Genießer und Gourmets träumen schon lange davon: neue Kartoffeln. Die zaubern so manchem ein verzücktes Lächeln aufs Gesicht, selbstverständlich hin oder her.

Umso mehr, weil die Ernte sich in diesem Jahr um gut zwei Wochen nach hinten verschoben hat. "Normalerweise holen wir die ersten Kartoffeln schon Anfang Mai vom Feld", sagt Sieben. "Aber in diesem Jahr war es zu lange zu kalt." Doch jetzt sind die ersten Knollen des Jahres fällig. Um sie schnell und unbeschadet zu den ungeduldigen Kunden zu bringen, ist Teamwork nötig. Hans-Leo Sieben springt dauernd zwischen Führerhäuschen, Fließband und vollen Kartoffelsäcken hin und her.

Eine Hupe macht alle paar Sekunden mit ohrenbetäubendem Lärm klar, dass schon wieder ein Sack voll ist. Sieben springt rüber, knotet den Sack zu und wuchtet ihn auf eine Palette. In Sekundenbruchteilen wird der nächste leere Sack an der Halterung befestigt. 25 Kilo Kartoffeln passen da rein, nach ein paar Minuten Holperfahrt sind sechs davon prall gefüllt.

Hans-LeoSieben, Landwirt

"Die gehen vor allem an Markthändler und Hofläden", sagt Sigrid Sieben. Doch niemand muss einen halben Zentner abnehmen - bei Siebens gibt’s auch kleinere Einheiten direkt vom Hof. Und frischer kann man seine Kartoffeln kaum bekommen: "Im Moment kann es sein, dass die Kartoffel zum Mittagessen morgens noch unter der Erde lag", sagt Hans-Leo Sieben.

Er selbst kann gar nicht genug von der Knolle kriegen. "Wir essen so gut wie jeden Tag Kartoffeln", sagt er. Gibt ja auch genug davon: Rund 3000 Tonnen ernten er und sein Sohn jährlich, ungefähr 200 Tonnen davon sind Frühkartoffeln. Und jede einzelne Knolle wird liebevoll umsorgt. Weil die Schale so empfindlich ist. Und weil sie überhaupt viel sensibler ist als ihre Geschwister, die erst im Sommer geerntet werden. Die sind größer, und eine festere Schale haben sie auch - da darf das Band auf dem Vollernter dann auch mal etwas schneller laufen.

Doch während die späten Sorten ihren Geschmack erst nach einer gewissen Lagerzeit entfalten, haben es die neuen Kartoffeln eilig: Am besten schmecken sie frisch gerodet. Also ab zum Verbraucher, lautet die Devise. Und dabei bloß nichts falsch machen, denn ruckzuck ist die filigrane Schale beschädigt. Die neue Kartoffel will wie ein rohes Ei behandelt werden.

Sieben holt ungefähr zehn Tonnen neue Kartoffeln aus einem Hektar Feld. "Damit wird das Potenzial nicht ausgeschöpft", sagt er. "Bei ausgereiften Knollen sind durchaus auch mal 50Tonnen drin."

Deshalb sind die neuen Kartoffeln etwas teurer als die späteren Sorten, zwei Euro nimmt Hans-Leo Sieben momentan fürs Kilo. Wahrscheinlich werden die Preise in absehbarer Zeit aber wieder sinken.