Stadtkulturbund Tönisvorst Christoph Sieber begeistert im Corneliusfeld
St. Tönis · Mit stehenden Ovationen wurde Kabarettist Christoph Sieber im Forum verabschiedet. Zuvor hatte er eine Generalabrechnung hingelegt: Politik, Bildung, soziale Medien und natürlich die AfD bekamen ihr Fett weg.
Wenn Künstler mit stehenden Ovationen verabschiedet werden, entwickelt sich dies normalerweise. Einige stehen im Applaus auf, andere folgen zögerlich, und nach einiger Zeit steht das Publikum. Bei Christoph Sieber ist das im Forum Corneliusfeld anders. Wie auf ein geheimes Zeichen stehen die rund 350 Gäste seiner gut besuchten Veranstaltung fast gleichzeitig auf und jubeln dem aus dem TV, unter anderem als Gastgeber der „Mitternachtsspitzen“ im WDR, bekannten Kabarettisten zu.
Diese Liebe erwidert er durchaus. „Tönisvorst ist wirklich super. Ich war vor Jahren schon einmal hier und hatte im Kopf, dass es gut ist. Aber dass es so gut ist, das hat mich überrascht. Zudem ist es nur eine Stunde von meinem Wohnort Köln weg. Ich werde in jedem Fall mit der Agentur sprechen, dass es nicht wieder sechs Jahre werden, bis ich hier bin“, sagt der Künstler im Gespräch und deutet an: Die Zuschauer können sich auch künftig auf ihn freuen. Im etwas ländlicheren Raum sei das Publikum ehrlicher, offener als in großen Städten, erzählt Sieber. Und auch die Bedingungen im Forum seien top. „Ich spiele generell gern in Schulen. Das ist eine besondere Atmosphäre“, sagt er.
Zuvor hatte er Schulen durchaus aufs Korn genommen. Lehrer seien über Jahrzehnte klein gemacht worden. „Da kann ich mich gar nicht ausnehmen. Die Witze funktionieren leider sehr gut“, sagt er auf der Bühne und schiebt zum Beleg einen klassischen Leher-Witz über viel Freizeit nach. Das Publikum johlt, Sieber quittiert es mit einem entsprechenden Kommentar. Bildungseinrichtungen müssten, so fordert er, die bestausgestatteten Gebäude, die am höchsten angesehenen Einrichtungen im Land überhaupt sein. „Aber nicht für Gedichtinterpretation und Latein. Damit kannst Du doch nichts anfangen. Ich muss nicht im Vorstellungsgespräch ein Gedicht interpretieren. Aber meinen Steuerbescheid, den könnte ich gern interpretieren“, fasst er zusammen, dass sich Bildung auch ändern müsse. Die Besten der Besten sollten Lehrer werden, fordert er. Dafür müsse der Rahmen geschaffen werden.
Aber natürlich bekommt auch die Ampel, wenn auch eher skizzenhaft und weitgehend im Ungefähren, teils an der Grenze zum Populismus, ihr Fett weg. Aber es ist zu spüren: Sieber macht das eher halbherzig. Ampel-Witze sind out, zu viele davon wurden gemacht, und eigentlich will er demokratische Kräfte eher stärken.
Denn die Gefahr sieht er insbesondere im Rechtsextremismus. Demokraten dürften Antidemokraten keine Toleranz entgegenbringen, fordert er. „Ich gestehe: Ich mache das jetzt seit 25 Jahren und war nie so ratlos beim Blick auf Europawahl und Landtagswahlen im Osten. ‚Nie wieder Faschismus‘ war für mich immer eine Floskel. Dass heute Menschen ernsthaft Faschisten als Möglichkeit sehen, macht mich sprachlos“, sagt er.
Sieber teilt gegen Trump
und die sozialen Medien aus
Sieber-typisch bekommt auch der Kapitalismus viel Kritik ab. „Wir befriedigen nicht unsere Wünsche, sondern die Verkaufsabsichten großer Konzerne“, sagt er und bekommt viel Applaus. Ebenso ist es für seine Kritik an Trump oder den sozialen Medien, die mal für einen Monat komplett abgeschaltet werden sollten, wie er fordert. „Sie haben die Demokratie zerstört. So lange Hass mehr Geld bringt als Liebe, wird der Hass gewinnen. Wir werden regiert von ein paar Multimilliardären aus den USA“, sagt Sieber. Auch dafür gibt es Applaus.
Seine Kritik am „gesunden Menschenverstand“, der immer nur „den anderen“ fehle, wird ebenso gefeiert, wie die an der Wahrheit. „Nur weil etwas Fakt ist, muss es noch längst nicht wahr sein“, sagt Sieber und spielt damit auf „gefühlte Wahrheiten“ an, die manche Politiker gern für sich vereinnahmen. „Sie machen mit ihrem Fischen im rechten Gewässer die Positionen erst hoffähig. Am Ende wird aber das Original gewählt“, mahnt er und erhält wieder viel Applaus. Sieber und Tönisvorst: Das passt und dürfte wohl zukünftig regelmäßigere Fortsetzungen finden.