Vorst: Grabung - Prähistorische Müllkippe

Wo 2010 ein Baugebiet entstehen soll, sind zur Zeit Archäologen aktiv.

Vorst. Brösel, sagen die Archäologen, haben sie schon gefunden. Von verbrannten Knochen, von alter Keramik oder Lehmerzeugnissen. In Vorsts Norden suchen sie derzeit nach Überbleibseln aus alten Zeiten.

Denn die Stadt Tönisvorst will die 6,7 Hektar große Fläche als Baugebiet ausweisen und 2010 mit den ersten Arbeiten beginnen. 100 Wohneinheiten, so die Planung, könnten auf dem Acker entstehen, wo vor kurzem noch Gerste geerntet worden ist. 14000 Euro ist der Stadt die erste Begutachtung des Bodens wert.

Doch zuvor will das Amt für Bodendenkmalpflege sicher sein, dass unter der Erdoberfläche keine historischen Schätze schlummern, die bei möglichen Bauarbeiten zerstört werden könnten.

Römische Gräberfunde auf der anderen Seite der Gemeinde hatten in den 80er Jahren darauf schließen lassen, dass das Vorster Gebiet noch mehr stumme Zeitzeugen in der Erde beherbergen könnte.

Zwei zehn mal 50 Meter große Grabungsstellen sind seit Montag ausgehoben worden. Sieben kleine Löcher, Befunde genannt, haben die beiden Archäologen dem festen Erdreich abgetrotzt.

Schaufeln, Gartenwerkzeug, eine Maurerkelle, Tüten mit Gesteinsbrocken und Scherben liegen umher. "Wir haben Befunde aus der Eisenzeit, so um das 6./7. Jahrhundert vor Christus", erklärt Grabungsleiter Joachim Meffert (44). Ur-Niederrheiner sollen dort einen Siedlungsplatz angelegt haben.

"Das sieht vielleicht auf den ersten Blick unspektakulär aus - daher ist das häufig übersehen worden", sagt Meffert. Doch eine kleine Besonderheit ist es schon: Nur rund ein halbes Dutzend solcher gut erhaltener Siedlungsplätze gibt es im Rheinland.

"Zu dieser Zeit waren die Bauten nicht so massiv, durch Erosion und tiefes Pflügen der Landwirtschaft sind die Plätze oft zerstört worden", erklärt Meffert.

"Wir haben schon Scherben von Gebrauchskeramik gefunden oder Tafelgeschirr", sagt der Grabungsleiter und weist auf ein metertiefes Loch. "Ursprünglich wurde das als Vorratsgrube genutzt, dann als Abfallgrube mit Scherben und Müll verfüllt." Und so fußt der Acker auf einer prähistorischen Müllkippe.

"Vom wissenschaftlichen Standpunkt her ist das mehr Wert als ein Gräberfund", sagt der Archäologe. Und das, obwohl in solchen Siedlungen nur mit Scherben zu rechnen ist, die selten größer als drei Zentimeter sind.

Denn Gräber, wo vollständig erhaltene Gefäße als Beigaben fürs Jenseits zu finden sind, sind viel besser erforscht - und versprechen damit wenig Neues für die Archäologen.

"Das hätte ich für ein Stück aus einem Blumentopf gehalten", sagt Werner Lessenich vom Heimatbund, der eine ockerfarbene Scherbe begutachtet. "Sieht aus wie eine Dachziegel", scherzt Bürgermeister Albert Schwarz.

"Anhand von Material und Bruchstellen kann man das unterscheiden", sagt Archäologin Roberta Thust (39). Jede Scherbe, jedes Steinchen wird gesäubert, eingetütet, beschriftet. "Jede Grabung ist eine Zerstörung, daher müssen wir alles dokumentieren", betont Meffert.

Ob der Acker wirklich einmal als Bauland ausgewiesen wird, bleibt abzuwarten. "Wenn wir gar nichts gefunden hätten, wäre das das Ende gewesen, was die Gemeinde gefreut hätte", sagt Meffert. "Im schlimmsten Fall kann das Projekt sogar sterben", ergänzt Markus Pinkle von der Untere Denkmalbehörde.