Verkehr Wenn Mama-Taxi vor der Schule hält
Eltern kreuzen, parken, wenden, wenn sie Kinder bis fast vors Klassenzimmer fahren. Das Problem kennen viele Schulen. Morgenvisite an der Grundschule Corneliusstraße zur Stoßzeit vor Acht.
St. Tönis. Hanni und Nanni kannten noch kein Mama-Taxi. Der tägliche Bring- und Holdienst spielte in den Schulgeschichten von Enid Blyton keine Rolle. Die Zwillinge haben allenfalls den Öffentlichen Personennahverkehr, in dem Fall die Bahn benutzt, um nach den Ferien zum Internat Lindenhof zu kommen.
Auch die Kinder von Bullerbü wurden nicht bis vor die Schule gefahren. Sie benötigten keine Schülerlotsen, balancierten eher über Baumstämme, durchquerten Lichtungen, übersprangen Bachläufe. . . Ja, ja, heile Welt.
Für Lasses, Bosses und Lisas von heute ist das Hinkommen zur Schule so vielfältig wie ein Unterrichtsmorgen: sie kommen zu Fuß, mit dem Roller, mit dem Rad, mit dem Schulbus oder werden chauffiert auf dem Rücksitz eines Autos, meist mit Mama oder Papa am Steuer.
Montag, 7.35 Uhr, Corneliusstraße in St. Tönis. Andrea Löhr trägt eine neongelbe Weste und eine ebensolche Mütze. Die Mutter einer Erstklässlerin steht in Höhe der Grundschule und achtet darauf, dass alle Grundschüler sicher über die Fahrbahn auf die Mittelinsel kommen und von dort über die zweite Spur den Bürgersteig direkt vor der Schule erreichen. „Das ist mein erster Dienst als Verkehrshelferin“, sagt Andrea Löhr. Ihr sei mulmig zumute gewesen vor der Premiere, sagt sie. Jetzt aber hat sie keine Zeit mehr für Nervosität. Autos passieren von rechts und links die Corneliusstraße, die der Grundschule ihren Namen gibt.
Die berühmte „Rushhour“, die Stoßzeit, dauert in diesem Wohngebiet zwanzig Minuten. Die Zeit von 7.40 bis 7.55 Uhr ist ein ständiges Kommen und Gehen, Abbiegen und Parken, Türe auf und Türe zu. Dutzende Radfahrer sind an diesem Morgen ohne Regenwahrscheinlichkeit unterwegs, häufig im Pulk. Sie kommen aus Richtung Laschenhütte, ältere Schüler, die Kirchen- und Corneliusfeld ansteuern. Grundschüler trotten zu Fuß heran, andere geben ihrem Roller Schwung. Weil die Schule gerade erst begonnen hat, kommen etliche i-Dötzchen an der Hand ihrer Eltern. An der Fahrbahnkante vor Andrea Löhr ist für sie erst einmal stopp.
Hier hält auch ein Senior an. „Opa Manfred“, stellt er sich vor. Er begleitet Claudia zur Schule. Das Mädchen ist hier nach den Ferien eingeschult worden. Der 80-Jährige ist die Ruhe selbst, auch wenn es um ihn herum zugeht wie in einem Bienenschwarm. „Mittags ist es ruhiger, da haben nicht alle zur gleichen Zeit Schluss“, sagt er. Er wünschte sich, dass das vorgeschriebene Tempo 30 auf der Straße immer eingehalten würde.
Eine Frau will aus dem Corneliusweg herausfahren und muss warten, bis sie in die Straße einbiegen kann. Autos passieren ihre Kühlenhaube, fahren 50 Meter weiter und parken zwischen Garagenzufahrten an der Bordsteinkante. Mütter und Väter steigen aus, öffnen den Kofferraum, helfen dem Kind, den Tornister aufzuziehen, verabschieden sich und fahren davon.
Eine Mutter begleitet ihren Sohn noch zum Schulgebäude. Warum sie mit dem Auto vorgefahren ist, kann sie erklären: „Wir wohnen im Biwak, das ist zu weit. Mein Sohn hat keine Chance, den Weg zu laufen.“
Auch Verkehrshelferin Andrea Löhr wechselt sich mit ihrer Nachbarin Sonja Ixkes-Korting mit dem Fahren ab. „Wir wohnen Kopernikus- und Südstraße. Und wir schicken die Kinder ungern über die Straße Nüss Drenk.“ Beide Mütter wünschten, sich, dass ihre Kinder den Schulbus nutzen könnten. „Den sehen wir immer.“ Aber dagegen stehe laut Auskunft der Verwaltung eine Zwei-Kilometer-Regel, Entfernung zur Schule. Beide Frauen würden es bevorzugen, die Kinder selbstständig zur Schule gehen zu lassen. Das stärke auch das Selbstbewusstsein.
„Was wäre mit einem kleineren Bus, einem Shuttle ähnlich dem Bürgerbus“, schlägt Ixkes-Korting vor. Kämen ihre Töchter so zur Schule, würden die Wagen stehen bleiben.
Rangierende Autos vor der Grundschule und das Gefährdungspotential ist am Mittwoch Thema im Bau- und Verkehrssausschuss (s. Kasten). Es geht um einen Antrag von Schulleiterin Ulrike Dau und der Schulpflegschaftsvorsitzenden Rabea Bruijn. Sie bitten darum, den Schulparkplatz zum Corneliusweg hin abzupöllern. Er sei von 7.30 bis 8 Uhr „übermäßig frequentiert, ein Rangieren, Wenden ist täglich zu beobachten.“ Polizeipräsenz und Elternbriefe hätten keine durchschlagende Wirkung gezeigt.
Es geht auf 8.05 Uhr zu an diesem Montagmorgen. Andrea Löhr hat ihren ersten Dienst souverän und ohne Zwischenfälle hinter sich gebracht. Das Verkehrsaufkommen hat sie beeindruckt, aber auch die „Umsicht der Eltern. Viele haben Blickkontakt gehalten“.