Willich/Tönisvorst: Mit Vorschlaghammer nach Berlin
Vor 20 Jahren fiel die Mauer. Wie haben Menschen aus unserer Gegend die Zeit erlebt?
Willich/Tönisvorst. Tag der Deutschen Einheit, Zeit, Reden zu halten und zurückzublicken. Vor allem auf das Ereignis, das wie kein anderes die Nachkriegsgeschichte Deutschlands prägte: Der Mauerfall. Wie haben Menschen aus der Region dieses Ereignis erlebt? Was ist hängen geblieben? Die WZ hat sich umgehört.
An den Fall der Mauer kann sich Christoph Gerwers nicht erinnern. Der scheidende Erste Beigeordnete der Stadt Willich - damals Referendar beim Landgericht Kleve - weiß beim besten Willen nicht mehr, was er am Abend des 9. November 1989 gemacht hat. Dagegen ist ihm ein Ereignis vom 15. November genau im Gedächtnis geblieben: In Köln fand das WM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen Wales statt. "Und ganz viele Fans waren im Trabi aus der DDR angereist. Da war eine unglaubliche Stimmung."
An der deutschen Wiedervereinigung, am 3. Oktober 1990 vollzogen, hat Gerwers danach ein kleines Stück mitgearbeitet: Anfang der 90er Jahre reisten er und andere Mitglieder der Willicher Stadtverwaltung nach Premnitz in Brandenburg, um westliche Verwaltungsstrukturen in den Osten zu bringen. "Meine dortige Kollegin fragte mich, wie sie gegen ein Bordell auf einem Schiff vorgehen könne. Ich verwies auf das Ordnungsbehördengesetz - doch das gab es dort noch gar nicht", berichtet Gerwers.
Willichs Bürgermeister Josef Heyes kann sich an den 9. November 1989 noch gut erinnern. "An dem Abend war St.Martinszug in Schiefbahn. Wir haben uns auf der Straße darüber unterhalten, dass die Mauer geöffnet worden ist. Ein überwältigendes Gefühl." Sohn Christoph, damals neun Jahre alt, habe sich in den Tagen danach schon Sorgen gemacht: "Wenn wir nicht bald nach Berlin fahren, kriegen wir kein Stück Mauer mehr ab." Tatsächlich machte sich die komplette Familie Heyes erst zum 3.Oktober 1990 auf den Weg - im Kofferraum ein Vorschlaghammer. "Das Stückchen Mauer, das wir damals rausgeschlagen haben, liegt noch heute zuhause auf der Fensterbank in meinem Büro."
Simone Küppers, Leiterin des Schwimmbads "De Bütt", hat den Mauerfall in Krefeld vor dem Fernseher miterlebt: "Mit der ganzen Familie." Ein Bekannter sei spontan nach Berlin gefahren.
WZ-Mitarbeiterin Susanne Böhling saß am Abend des 9. November im Auto auf der Fahrt zum Geburtstag der Oma in Bayern. "Die Nachricht kam übers Radio. Das war der Hammer", sagt sie. Auch 20 Jahre später ist sie berührt, wenn sie an ihre damaligen Gefühle denkt: "Ich selbst stamme aus Berlin, und wir hatten Verwandte in der DDR. Der Gedanke, dass ich meine Onkel, Tanten, Cousinen jetzt einfach so besuchen kann - unglaublich." Auf der Rückfahrt drei Tage später habe sie dann schon die Trabis auf der Autobahn riechen können.
Als Theologie-Studentin in Bonn erlebte die St. Töniser Pfarrerin Daniela Bücher-Bruch den Fall der Mauer. "Ich habe das über eine Freundin in West-Berlin mitbekommen, war selbst auch häufiger dort. Gemeinsam haben wir die Verwandtschaft der Freundin in Ost-Berlin besucht." Von daher habe sie die Situation auch immer als sehr beklemmend empfunden. Sie sei zudem überrascht gewesen, wie schnell das alles vor sich ging. "Außerdem habe ich permanent gedacht: Das kann doch alles nicht wahr sein." Schon in den nächsten Tagen habe sie sich gefragt, wie das weitergehe und sich aber auch Sorgen gemacht.
"Als kanadische Staatsangehörige und dort bis zum knapp neunten Lebensjahr aufgewachsen, war es für mich persönlich nicht ganz so berührend wie für meine Kommilitonen", sagt Catharina Perchthaler, Pressesprecherin der Stadt Tönisvorst. Ihre Mutter war seinerzeit aus der DDR geflohen. Dass Großes im Gange war, sei ihr natürlich schon bewusst gewesen. "Kommilitonen haben mich angerufen", sagt die Frau, die damals noch Studentin war. Danach habe man das Ganze gemeinsam im Fernsehen verfolgt. Die Mit-Studenten seien zum Teil zu Tränen gerührt gewesen. "Das war schon was wie ein gewaltiger Dammbruch im positiven Sinne...