Lesung im Zakk Hier blüht die Ostalgie

Düsseldorf · Drei ostdeutsche Frauen haben ein Buch geschrieben und stellen es im Zakk vor.

Annett Gröschner, Peggy Mädler und Wenke Seemann (v.l.).

Foto: Hanser/Andreas Rost

Mehr Kollektiv ist kaum vorstellbar, mehr Solidarität auch nicht. Drei Frauen, in den Siebzigern in der DDR geboren, schreiben gemeinsam ein Buch. Das wohl eher bescheidene Honorar und die Tantiemen in nicht absehbarer Höhe wollen sie sich teilen. Ihr Produkt, inzwischen gedruckt und vermarktet, nennen sie nach ihrer Grundabsicht: „Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat“. Ein durchaus lobenswertes Unterfangen.

Wenn da nicht ständig ein Hadern dazwischengekommen wäre. Die Schriftstellerinnen Annett Gröschner und Peggy Mädler sowie die Fotografin Wenke Seemann wollen sich nicht mit einer Wirtschaftsordnung abfinden, in die sie als Heranwachsende durch den Mauerfall geraten sind. Deshalb der Traum von einem „idealen“ Staat. Doch das hehre Adjektiv will nicht so recht zu Bowle und Dosenfrüchten passen. Platon in der Platte, wie soll das gehen? Ihr altes System hat der DDR-Schriftsteller Stefan Heym als „Fußnote der Geschichte“ abgetan. Bei den drei Frauen aber blüht die Ostalgie. Mit „Wenn am Abend die Sonne in der Spree versinkt“ romantisieren sie jene andere Zeit. Dabei gab es nach dem Ende des Kriegs neben dem „Capri“-Lied von Rudi Schuricke auch in der SBZ eine Fassung mit dem Sänger Kurt Reimann.

Bei ihrer Buchvorstellung im Zakk beschworen die drei Berlinerinnen den Stolz der ehemaligen Arbeiterklasse: „Ich bin Bergmann, wer ist mehr?“ Keine Rede von den Umweltsünden in der Lausitz, dafür aber eine prickelnde Bowle für alle Gäste. Den Untergang der DDR betrauern diese drei ostdeutschen Frauen nicht. Früher war nicht alles besser, sagen sie, es war aber manches gut. „Es war kein Zuckerschlecken, als Habenichtse in die Transformation zu gehen“, heißt es in ihrem Buch, gefolgt von einem Plädoyer für die Besitzlosigkeit. Den Autorinnen ist es im Superwahljahr ernst. Auch mit Platon im Titel. Peggy Mädler: „Wenn jemand mit einem Konzept des idealen Staats dahergelaufen kommt, denke ich ganz schnell: Die Partei hat immer recht. Wir sind ja in einer perfiden Inszenierung eines idealen Staats aufgewachsen.“

Mit ihrem vielseitigen und durchaus humorvollen Buch wollen Gröschner, Mädler und Seemann auch immer noch kursierende Stereotype über ostdeutsche Frauen ansprechen: „Es heißt, die seien Rabenmütter gewesen, die ihre Kinder um 6 Uhr in die Kita gebracht hätten, um sie nachts um zwölf wieder abzuholen. Na ja, aber sie konnten auf jeden Fall mehrere Einkaufsbeutel am Lenker ihres Fahrrads transportieren.“

Bei den nächtelangen Gesprächen fiel ihnen auf, dass sie ganz undialektisch, mit einem klaren Freund-Feind-Schema, aufgewachsen sind. Die Botschaft ihres Buchs lautet also auch, dass Dialoge eine richtig coole Sache sind.