Mönchengladbachs größte Schrottimmobilie Die letzten Wochen von Haus Westland
Mönchengladbach. · Seit 15 Jahren steht das Haus leer. Bald soll es für Neubauten Platz machen. Doch die Schrottimobilie hat ihre schönen Seiten.
Mönchengladbachs prominenteste Schrottimmobilie, das Haus Westland, steht seit über einem Jahrzehnt leer und wartet auf seinen Abriss. Der soll nun im kommenden Jahr erfolgen. Wie Ralph Schneemann, Geschäftsführer des Investors Bema mitteilte, soll in den ersten Monaten 2020 der Abrissantrag gestellt werden und kurz darauf tatsächlich Haus Westland den Baggern zum Opfer fallen.
„Wenn alles gut läuft, wollen wir im Jahr 2021 mit den Neubauten beginnen“, sagte Schneemann bei der Immobilienmesse Expo Real in München. Dort soll das Neubau-Projekt „19 Häuser“ entstehen. Ein neues Quartier mit Wohnungen, Geschäften und Gewerbe nach den Sieger-Entwürfen des Hamburger Planungsbüros KBNK ist dort geplant. Dieses Quartier rückt bis an die Linie der Hindenburgstraße heran. Der Busbahnhof wird sich damit um rund die Hälfte verkleinern. Die Bema-Gruppe rechnet mit dem Satzungsbeschluss des Bebauungsplans durch den Rat Mitte 2020. „Wenn alles funktioniert, wollen wir nach zwei Jahren mit dem Projekt fertig sein“, sagte Schneemann in München. Insgesamt investiert die Düsseldorfer Gruppe nach eigenem Bekunden dort mehr als 100 Millionen Euro.
Vor dem Abriss von Haus Westland stehen aber noch eine Menge Planungen an. Für den Rückbau, wie die Planer das korrekt nennen, gibt es mehrere Konzepte. „Wir werden von beiden Seiten mit Baggern beginnen“, erklärt Stephan Pütz, der bei der Bema für das Projekt verantwortlich ist. Derzeit wird der Abriss mit unterschiedlichen Vorarbeiten vorbereitet. In Fußböden im Inneren hat es Testbohrungen gegeben, um Genaueres zur Bausubstanz zu erfahren.
Doch auch kurz vor dem Abriss hat das Haus noch seine schönen Seiten. Nämlich überall dort, wo man weit wegschauen kann. Vom Dach, aus großen Bürofenstern. Im Haus selbst aber haben die Jahre erst Abnutzung und später der Leerstand den einstigen Prachtbau aus den 1950er Jahren in einen desolaten Zustand verkommen lassen.
Als Hausmeister Norbert Quack seinen Schlüsselbund zückt und die schwere Tür am Treppenabgang auf dem Hinterhof aufschließen will, springen zwei Junkies auf. Hastig packen sie ihren Kram zusammen, beteuern „das war alles schon so“ und eilen vom Hinterhof. Quack, der mehrmals die Woche nach dem Rechten sieht rund um Haus Westland, schimpft: „Eine große Schweinerei. Die dreckigen Ecken sind hier das Hauptproblem. Essensreste locken Ratten an, und die Menschen machen hier überall in die Ecken.“ Schädlingsbekämpfer sind fast täglich unterwegs und erneuern Dutzende Rattenfallen rund um das Gebäude.
Als er die Tür aufschließt, stehen Quack und Artenschützer Manfred Henf, der nach Tieren und deren Nestern sucht, mitten im alten Bürgerservice. Viele Jahre haben die Gladbacher in dem Flur gesessen und darauf gewartet, in eines der Büros eingelassen zu werden, um dort ihre Adresse zu ändern. Oder den neuen Personalausweis zu beantragen. Die Luft ist abgestanden, es ist muffig, feucht.
Weiter geht es Richtung Treppenhaus. Hier ist es stockfinster. Henf wirft mit seinem Strahler etwas Licht in den Flur. Die Hausmeisterloge ist voller Spinnweben, an der Wand hängen Schlüssel am Haken. Alle beim Auszug abgegeben, Ordnung muss sein. Ein Zettel am Fahrstuhl verkündet: „Aufzug stillgelegt, Benutzung nicht möglich.“ Norbert Quack und Manfred Henf nehmen ohnehin lieber die Treppe. Sie gehen vorbei an braunen Flecken, möglicherweise getrocknetes Blut. In allen Etagen gehen sie von Büro zu Büro, Artenschützer Manfred Henf, der Erkenntnisse für das Artenschutz-Gutachten sammelt, schaut nach möglichen Einfluglöchern für Vögel, findet aber nichts.
Auf einer Fensterbank haben sich Hunderte tote Insekten angesammelt. „So viel zum Insektensterben“, murmelt er. Quack sieht überall nach dem Rechten. Von den Büros des Bürgerservice geht es über das Sozialamt, das Kulturamt, das Büro des Stadtdirektors Rombey, das Schulamt und das Amt für Freizeit, Sport und Bäder bis ganz nach oben zum Sozialamt, so verrät es die Tafel im Erdgeschoss. Alles ist leer.
Nach dem Besuch auf dem Dach des Büroturms geht es weiter in die Nebengebäude, dort, wo einst Wohnungen waren. Im Keller riecht es nach abgestandener Luft. Aber Artenschützer Henf nickt zufrieden. „Überall hängen Spinnweben-Gardinen. Das ist ein gutes Zeichen: Es gibt keine Fledermäuse hier drin“, sagt er und nickt zufrieden.
Dann geht es zwei Etagen in die Höhe und hinaus auf einen der Laubengänge mit den Zugängen zu den alten Wohnungen. Tauben haben diese Gänge erobert und Berge von Kot hinterlassen, in denen tote Tiere liegen. An einer der fest abgeschlossenen Wohnungen sind auf das stumpfe Glasfenster von innen Bilder gemalt, Cartoon-Figuren lächeln, hier war ein Kinderzimmer. Seit 15 Jahren hat kein Mensch mehr diese Wohnungen betreten. Und das bleibt auch so, bis die Bagger 2020 anrücken und Haus Westland ein Ende bereiten. Bei aller Schönheit beim Blick vom Dach auf die Stadt – der Abriss ist die beste Aussicht, die dieses Haus noch zu bieten hat.