327 Klagen gegen Hartz IV

Die Gladbacher ziehen häufig dann vor Gericht, wenn es dem Partner an den Geldbeutel geht.

Mönchengladbach. In diesem Jahr sind bereits 327 Gladbacher gerichtlich gegen ihre Hartz-IV-Bescheide vorgegangen. Das macht im Durchschnitt 36 Klagen pro Monat, im September waren es sogar 42. Woher kommt diese Klagefreudigkeit? "Mit Hartz IV haben wir eine ganz neue Gesetzeslage bekommen. Beiträge werden neu bemessen, Zuschüsse gestrichen, und unsere Berater müssen anders entscheiden. Dadurch sind viele Menschen unzufrieden und haben das Gefühl, dass sie nicht das bekommen, was ihnen früher zustand", erklärt Klaus Müller, Geschäftsführer der für Hartz-IV-Empfänger zuständigen Arge.

Der Arge-Chef rechnet damit, dass die Klagewelle abflauen wird

In Gladbach leben gut 38 000 Menschen von Hartz IV. Der Arge-Chef rechnet damit, dass die Klagewelle abflauen wird. "Wenn es erst genug Referenzurteile gibt, die wir heranziehen können, geht es nicht mehr so häufig vor Gericht", vermutet er. Aus welchem Grund klagen die Gladbacher? "Die Frage, ob es sich bei zwei Partnern um eine eheähnliche Gemeinschaft handelt oder nicht, führt häufig zu Unstimmigkeiten", erklärt Müller. Hintergrund: Wenn sich Paare einen Haushalt teilen, wird das Gehalt des arbeitenden Partners auf die Hartz-IV-Sätze des nicht arbeitenden angerechnet. Karl Sasserath ist Leiter des Arbeitslosenzentrums und täglich mit Hartz-IV-Empfängern im Gespräch. Er ist überzeugt, dass nicht nur das unübersichtliche Hartz-IV-Regelwerk Schuld an der Klagewelle ist. Er ist sich sicher, dass die Gesetzgebung Klagen geradezu provoziert. "Wenn jemand mit seinem Hartz-IV-Bescheid nicht einverstanden ist, kann er Widerspruch einlegen. Den kann die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (Arge) abweisen - danach gibt es gar keine andere Möglichkeit als zu klagen."Im früheren Sozialhilfegesetz wäre es gar nicht so weit gekommen. Damals gab es Widerspruchsausschüsse. Sie bestanden aus Vertretern sozialer Verbände, zum Beispiel der Caritas, und haben im Falle eines Widerspruchs zwischen Verwaltung und Arbeitslosengeld-Empfänger vermittelt. Sasserath: "Eine solche Mediatorenrolle gibt es heute gar nicht mehr. Da prallen zwei Kräfte ungebremst aufeinander."