Beitrag: Land füllt Schulkindern den Teller
Bedürftige zahlen bald nur noch einen Euro fürs Schulessen. Koordinationskreis fordert kostenlose Verpflegung.
<strong>Mönchengladbach. Mönchengladbach wird in das Förderprogramm "Kein Kind ohne Mahlzeit" aufgenommen. Das hat am Mittwoch Schuldezernent Gert Fischer auf Nachfrage der WZ bestätigt. "Ich habe die Zusage vom Staatssekretär erhalten und rechne damit, dass der Bewilligungsbescheid bis Ende des Monats vorliegt", so Fischer. Im August hatte der Schulausschuss die Fördermittel vom Land beantragt. Sozial schwache Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind, müssen dann pro Mittagessen nicht mehr 2,50 Euro, sondern 1 Euro am Tag bezahlen. Das Land übernimmt einen Euro, die Stadt gibt pro Essen 50 Cent dazu.
"Es gibt Eltern, die backen morgens Fladen aus Mehlwasser und geben sie ihren Kindern als Pausenbrot mit." Pfarrer Edmund Erlemann über die Situation bedürftiger Schulkinder.
Der Koordinationskreis Soziale Gerechtigkeit will dagegen mehr. Er fordert, dass Hartz-IV-Familien gänzlich von den Mittagessen-Kosten befreit werden und auch bei der Beschaffung von Schulmitteln, wie Bücher und Stifte, stärker von ihrer Anlaufstelle für Arbeitslosengeld, der Arge, unterstützt werden. Das geht aus einem ebenfalls Mittwoch veröffentlichten offenen Brief hervor, der der WZ vorliegt.
Pfarrer Edmund Erlemann, Mitglied des Koordinationskreises, erklärt: "Hartz IV sieht einen Tagessatz von 2,63 Euro für Nahrungsmittel und Getränke vor. Davon sollen 1,027 Euro für das Mittagessen ausgegeben werden. Wie sollen Eltern das bei der Regelleistung schaffen? Es gibt Familien, die müssen ihr Kind vom Schulmittagessen abmelden, weil sie es sich einfach nicht leisten können."
Schuldezernent Fischer sieht das anders: "Ein Euro pro Tag ist ein faires und solidarisches Angebot. Ich glaube nicht, dass es Menschen gibt, die sich das nicht leisten können. Wenn die Kinder nicht in der Schule essen, müssten sie ja schließlich auch zu Hause eine warme Mahlzeit bekommen."
Zudem sei es letztlich eine Frage der Gerechtigkeit, schließlich müssten alle anderen Eltern, teilweise mit geringem Einkommen, auch für das tägliche Mittagessen in der Schule zahlen.
Laut Pfarrer Erlemann ist die Lage in Hartz-IV-Familien dramatisch: "Es gibt Eltern, die backen morgens Fladen aus Mehlwasser und geben sie ihren Kindern als Pausenbrot mit. Diese Menschen haben tatsächlich nichts zu essen."
"Diese Fälle gibt es", bestätigt Brigitte Vieten, Leiterin der Gemeinschaftshauptschule Dohler Straße, auf WZ-Anfrage. "Es gibt wenige Eltern, die sich das Schulmittagessen, selbst wenn es nur einen Euro am Tag kostet, nicht leisten können. Und die wenigsten geben das offen zu. Da spielt Scham eine große Rolle."
Wenn Lehrer beobachten, dass ein Kind nie etwas zu essen dabei hat und auch nicht am Mittagessen teilnimmt, sprechen sie es vorsichtig darauf an. "Viele weichen dann aus und sagen, dass sie keinen Hunger haben", erklärt die Schulleiterin. Immer wieder sei das Organisationsgeschick des Schulpersonals gefragt, um den leeren Kindermagen zu füllen.
Kinderarmut In Gladbach leben 38 115 Menschen von Hartz IV. Davon sind 6 500 Kinder unter 15 Jahren und 1 768 Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren.