Altstadt ist eine Gefahrenzone
Immer öfter werden Altstadtbesucher grundlos zusammengeschlagen. Bezirksvorsteher Herbert Pauls fordert Konsequenzen – etwa ein Alkohol-Verkaufsverbot.
Mönchnegladbach. Es hätte ein ganz normaler, schöner Abend werden sollen. Doch was dann in der Gladbacher Altstadt passierte, lässt Harald B. (23) nicht mehr zur Ruhe kommen.
Gegen 2 Uhr morgens schlenderte der Student vor einigen Tagen mit Freunden die Waldhausener Straße hinunter. In Höhe des Dicken Turms passiert es dann. B. wird plötzlich von einer Gestalt gepackt. Völlig unvermittelt, ohne Vorwarnung reißt ihn ein Jugendlicher zu Boden. Er tritt ihm mit voller Wucht ins Gesicht und verschwindet.
"Wir hatten keine Chance zu reagieren. Es ging alles so schnell. Vor allem, weil es vorher absolut nichts gegeben hat, was auf den Angriff hindeutete", sagt Lisa S.(22). Ihr Freund kommt nach dem Angriff mit gebrochenem Kiefer ins Krankenhaus.
B. wacht seit dem Angriff jede Nacht schweißgebadet auf. Alpträume und Angstzustände plagen ihn. "Sie haben uns einfach so angegriffen", sagt Harald B., "grundlos". Er sitzt in seinem Kankenhauszimmer und knetet unablässig seine Hände. Seine Augen irren ruhelos hin und her.
"Eine Situation von posttraumatischem Stress", sagt der Psychiater und Psychotherapeut Dr. Jürgen Vieten. "Das Gehirn versucht, das Geschehene mit der Alltagserfahrung in Übereinstimmung zu bringen. Das gelingt jedoch nicht und verursacht unermesslichen Stress. Dazu laufen im Kopf die Szenen des Angriffs wie in einer Art Kopfkino immer wieder ab", so der Mediziner.
"Opfer solcher Straftaten machen sich meist schwere Vorwürfe, obwohl sie völlig unschuldig an dem Angriff sind. Oft ziehen sich diese Menschen dann zurück, ihre Gefühle stumpfen ab, sie machen teilweise auch Persönlichkeits-Veränderungen durch", sagt Vieten.
Immer häufiger kommen völlig unbegründete gewalttätige Übergriffe in Gladbach vor. Auch in dieser Woche meldete die Polizei zwei derartige Fälle, in denen Opfer "von den Tätern grundlos zusammengeschlagen wurden" (O-Ton Polizeipressebericht).
Vor einigen Wochen wurde gar ein Gladbacher Polizist Opfer eines solchen Angriffs, als er nachts privat mit seiner Freundin in der Altstadt unterwegs war und von drei Unbekannten krankenhausreif geprügelt wurde. Die Polizei jedoch kann diese Zunahme von Angriffen ohne jeden Grund und ohne Vorankündigung nicht bestätigen. "Was aber daran liegt, dass wir bei Körperverletzungen nicht die Ursache festhalten", so Polizeisprecher Jürgen Lützen.
Hinter vorgehaltener Hand nehmen viele Polizisten inzwischen den Begriff der "Gefahrenzone Altstadt" in den Mund und raten, den Bereich zu meiden. Da nützt es den Opfern auch nicht viel, dass die Gewalttäter oft - auch durch die Videoüberwachung in der Altstadt - noch vor Ort gefasst werden.
Stadtmitte-Bezirksvorsteher Herbert Pauls (CDU) fordert jetzt Konsequenzen. "Denkbar ist ein Alkoholverkauf-Verbot für Kioske und Tankstellen im Bereich der Innenstadt", sagt er und spricht damit das Konzept an, das die Stadt Freiburg mit großem Erfolg umgesetzt hat. "Auch ist eine Aufstockung des momentan zwölf Mitarbeiter starken Teams des kommunalen Ordnungsdienstes wünschenswert", sagt er.