EGM Automotive: 172 Kündigungen - Investor lässt Arbeiter hängen
172 Beschäftigte erhalten die Kündigung. Mittwoch soll das Insolvenzverfahren eröffnet werden.
Mönchengladbach. Die Wut ist groß, die Enttäuschung auch. „Warum lassen die uns im Stich?“, sagt ein älterer Mitarbeiter mit kurzen schwarz-grauen Haaren, dann zieht er hastig an seiner Zigarette. Der Mann um die 50 ist einer von 172 Beschäftigten des insolventen Autozulieferers EGM Automotive an der Schwalmstraße. Am Dienstag bekamen sie vom vorläufigen Insolvenzverwalter Bernd Depping (Essen) die Kündigung — nachdem wochenlange Gespräche mit einem möglichen Investor am Montag geplatzt waren.
Kapitalinteressen standen im Vordergrund „Die Verträge — ob Kaufpreis oder Mitarbeiterzahl für die neue EGM — waren fertig“, sagten Betriebsratschef Ahmet Özkan und Deppings Vertreter vor Ort, Robert Faulstich. „Gründe, warum sie nicht einsteigen, haben sie uns nicht genannt“, erklärten beide. „Da haben reine Kapitalinteressen im Vordergrund gestanden, das Schicksal von vielen Menschen und Familien interessiert die nicht“, sagt Ökzan.
Und wird von einem Betriebsratsmitglied übertönt: „Die haben uns verarscht, ja, verarscht.“ Die zweite Pleite seit 2006 Weil eine kleine Gruppe um Robert Lawrie (Chef der kanadischen HAWK Capital Group und mit EGM bereits geschäftlich verbunden) sowie die Langenfelder Unternehmensberater Kay Hafner und Hans-Peter Döhmen sowie die zwei leitenden EGM-Mitarbeiter Klaus Peters und Walter Schwarz von vornherein „großes Interesse“ gezeigt hätten, habe man mit ihnen ernsthaft verhandelt. Dadurch seien womöglich andere interessierte Investoren abgeschreckt worden.
Döhmen sagte der WZ: „Unsere Bedingungen für einen Einstieg bei EGM waren nicht erfüllbar.“ Details wolle er nicht öffentlich kommunizieren. Faulstich wie Özkan, aber auch IG-Metall-Sekretär Frank Taufenbach kritisieren, dass die „Interessenten“ nie ein klares Konzept vorgelegt hätten. Und Mitarbeiter-Rechte hätten sie ignoriert. „Die haben mit Existenzen gespielt“, sagt ein Betriebsratsmitglied. „Wir haben hier schon viel mitgemacht und sind ein eingeschworenes Team.“
Man habe akzeptieren wollen, dass 56 plus die elf Azubis in die neue EGM wechseln sollten. Für den Rest waren Interessenausgleich mit späterer Arbeitslosigkeit im Gespräch. Jetzt wird allen gekündigt, wobei etwa 40 Kollegen einen Großauftrag (100 000 Nockenwellen für) für Fiat erledigen werden.
Der kam Dienstagmorgen noch rein und sorgt für vier Wochen Arbeit. „Ein kleiner Hoffnungsschimmer“, sagt IG-Metall-Chef Reimund Strauß. Und sagt deutlich zu den vermeintlichen Investoren: „Die haben rumgezockt und uns vorgeführt.“
Für die Alt-Gesellschaft soll das Insolvenzverfahrenheute vor Gericht eröffnet werden. Es ist die zweite Pleite in der mehr als 110-jährigen Firmengeschichte. Viele der jetzt Betroffenen haben den Niedergang bei EGM (2006, 2011) zweimal erlebt. Auch der Kollege mit der Zigarette. Er sagt: „Mir reicht’s.“