Ein Abend der Premieren
Trotz einiger technischer Probleme: Figaro im frisch sanierten Haus eröffnet Spielzeit.
Mönchenlgadbach. Eine fulminante Premiere, diese „Hochzeit des Figaro“, mit der das Theater den Beginn der neuen Spielzeit feiert. Erleichterung, weil man endlich zurück ist im für mehr als 8,4 Millionen Euro sanierten Rheydter Haus, endlich wieder eine Akustik, die man als solche bezeichnen kann, die nicht aus den Stimmen der Instrumente und Sänger einen Tonbrei fabriziert, den man zwar zu sich nehmen, aber nicht wirklich genießen konnte.
Entsprechend aufgeregt ist die Stimmung im Foyer vor Beginn der Vorstellung. Aufgeregt sind auch die Theaterleute, weil noch nicht alle Technikelemente reibungslos funktionierten: „Es ist ja nicht so, dass man in ein neues Haus kommt und braucht nur den Knopf zu drücken“, sagte Generalintendant Michael Grosse bei der anschließenden Premierenfeier.
Aufregung auch, weil man eine Inszenierung bieten will, mit der man die in den beiden Ausweichspielzeiten verloren gegangenen Abonnenten zurückgewinnen kann. Ob das gelingt, wird die Zeit zeigen, die Premiere jedenfalls war ein voller Erfolg, der mit begeistertem, langanhaltendem Beifall belohnt wurde.
Schon bei der Ouvertüre macht Regisseur Kobie van Rendsburg das Publikum mit den Videoeinspielungen als tragendem Element des Bühnenbildes vertraut, das den Personen vielfältige, witzige Aktionen ermöglicht. Statistinnen in schwarz-roten Rokoko-Kleidern lassen scheinbar überdimensionierte Mozart-Kugeln über eine scheinbare Mauer herunterkugeln, die männliche Statisterie fegt sie weg, inzwischen ist auf der Mauer das Porträt Mozarts zu sehen, der seine Blickrichtung immer wieder ändert, was das Publikum mit Lachen quittiert.
Ein Tempo, das Mozarts Musik entspricht und das die Aufführung über die gesamte Länge von dreieinhalb Stunden durchhält. Die Figuren agieren nachvollziehbar, emotional und handfest. Die Braut Susanna (quicklebendig und kokett als Gast Laura Nicorescu) und Marcellina (Debra Hays), der dem Figaro (neu im Ensemble Andrew Nolen) ebenfalls die Ehe versprochen hat, beschimpfen und raufen sich, Graf und Gesangslehrer Bartolo (Matthias Wippich) fangen die in Ohnmacht fallende Susanna zwar auf, doch ihre Hände fassen schon nach den für sie selbst angenehmsten Stellen.
Die handelnden Figuren agieren in Kostümen der zwanziger Jahre, einer — wie das Rokoko der Entstehungszeit der Oper — ebenfalls sehr frivolen Zeit. Durch die zeitliche Nähe ist beispielsweise Tobias Scharfenberger als Graf, mal im Reit- und mal im Tennisdress in seiner Schnöseligkeit und Selbstgerechtigkeit für den heutigen Zuschauer sehr gut nachvollziehbar: Seine Frau langweilt ihn, er will eine offene Beziehung, aber eifersuchtsfrei ist er deswegen noch lange nicht und erstreckt seine Machtansprüche auf die sexuelle Verfügbarkeit seiner Untergebenen.
Die Inszenierung und die Sänger bedienen gekonnt und psychologisch schlüssig die verschiedenen Ebenen der Geschichte: Die Hektik eines Hochzeitstages mit Hindernissen fast überdreht slapstickartig und die Wut des Figaros, der seinen Alleinanspruch auf seine Braut nicht mit dem gesetzlichen Recht des Grafen opfern mag und mit List und Tücke kämpft. Das ständig volle Whiskey-Glas in der Hand der Gräfin (Dara Hobbs) ist nur vordergründig lustig, es markiert ihre tiefe Verzweiflung, weil sie ihren Gatten trotz allem liebt. Als sie den Kampf um seine Liebe aufnimmt, schüttet sie den Schnaps ins Klo.