Herz-Jesu Kirche: Drei Zimmer, Kirche, Diele, Bad
23 Parteien leben in Pesch hinter historischen Mauern. Die WZ hat einigen Bewohnern einen Besuch abgestattet.
Mönchengladbach. Wenn man die Kirche Herz-Jesu in Pesch von außen betrachtet, sieht man zunächst das alte Kirchengemäuer mit einigen alten Kirchenfenstern mit Rundbögen.
Beim genauen Hinsehen verraten einige Gartenstühle, dass hier etwas anders ist, als in einem normalen Gotteshaus.
Im Inneren könnte der Kontrast nicht größer sein: Unter dem riesigen Gewölbe sind die Wände gelb, grün und blau gestrichen. In der Mitte befindet sich ein großer Aufzug, an den Wänden ragen historische Säulen in die Höhe.
Seit Oktober 2011 ist die Kirche ein Wohnhaus. 23 Parteien wohnen in dieser außergewöhnlichen Atmosphäre. Sebastian Musiol (33), seine Frau Katrin (26) und der einjährige Elias haben im Erdgeschoss ein Zuhause gefunden.
Die kleine Familie lebt erst seit Mai dieses Jahres in Pesch. „Anfangs war es komisch, wenn man nach Hause kam und dabei in eine Kirche hineinging“, sagt Katrin Musiol. Doch nach einer Woche habe sich das Ehepaar daran gewöhnt. Katrin Musiol ist katholisch. Der Glaube habe bei der Entscheidung für die Wohnung aber keine Rolle gespielt.
Auch Cosimo Ottaviano (76) hatte keinen „Glaubens-Grund“, in das besondere Gebäude einzuziehen — wie die meisten Bewohner. Findet er es als gläubiger Christ nicht problematisch, in einem ehemaligen Gotteshaus zu Wohnen? „Nein, für mich ist das kein Problem.“
Ricardo Brand (39) wohnt seit Mai 2013 auf 65 Quadratmetern in Herz-Jesu. Er hat ein Bein verloren und brauchte eine behindertengerechte Wohnung. Die Duschen sind ebenerdig, die Türen sind breit. So kann er sich problemlos im Rollstuhl durch die Wohnung bewegen.
Neben der Küche und dem Wohnbereich mit grauer Couch und Fernseher hat er ein Zimmer für seine Kinder eingerichtet, die jedes zweite Wochenende bei ihm sind. Im Zimmer verteilt sind Puppen und ein Schminktisch für Brands fünfjährige Tochter sowie eine Spielwerkstatt für seinen vierjährigen Sohn — wie in einer ganz normalen Wohnung eben.
Brand glaubt „an Gott, aber nicht an die Kirche“. Es sei kein komisches Gefühl, dort zu leben, wo früher Gottesdienste stattgefunden haben. Von Freunden bekommt er immer positive Rückmeldung: „Die sagen: Geile Location, ist hier noch eine Wohnung frei?“
Rita-Maria Schmitz (63) wohnt seit dem Tod ihres Mannes alleine. Sie freut sich immer über den Besuch von Enkelin Jaqueline (9). An den Wänden hängen viele Fotos von dem Mädchen. „Jaqueline fragt oft: ,Macht die Glocke Sonntags immer BimBam?´“, sagt Schmitz und lacht.
Das tut sie nicht. Die Kirchenglocke ist stillgelegt. Auch bei ihr ist die Resonanz von Besuchern durchweg positiv. „Die finden es toll, was man aus einer Kirche alles machen kann“, sagt die 63-Jährige.
Schmitz sieht mittlerweile keinen Unterschied mehr zu einem anderen Wohnhaus: „Es ist so, als würde man in ein normales Haus gehen.“ Einen deutlichen Vorteil haben die massiven, alten Kirchenwände allerdings: „Es ist hier auch so ruhig wie in einer echten Kirche.“