Mit der Kettensäge auf Baum-Jagd
Selber schlagen oder eine gefällte Tanne auswählen — auf dem Havelshof ist beides möglich.
Mönchengladbach. Auf dem Feld hinter den verblühten Sonnenblumen erwartet den modernen Stadtmenschen ein Abenteuer. Bewaffnet mit einer Handsäge laufen die Kunden von Landwirt Albert Kamerichs über den Weg aus Rindenmulch. Dann sehen sie die kleinen, riesigen, krummen oder schlanken Nordmanntannen.
„Eine Abteilung wollte unbedingt den Weihnachtsbaum selber schlagen“, sagt Kamerichs. Er verkauft auf dem Havelshof in Herrath Weihnachtsbäume direkt vom Feld. Aus der tatkräftigen Abteilung hat dann doch keiner einen Baum geschlagen. „Keiner hat es geschafft. Wenn man keine vernünftige Säge hat und das nicht gewohnt ist...“, sagt Kamerichs und schmunzelt. Deswegen folgt er den Abenteuerlustigen meist unauffällig mit einer Motorsäge und hilft im Zweifel aus.
Wer nicht will, muss nicht aufs Feld: Kamerichs hat in seinem Hof viele Bäume bereit gestellt: „Heute morgen frisch geschlagen.“ Zur Orientierung dienen farbige Bänder, die markieren, wie groß ein Baum ist. Seit 36 Jahren pflanzt Kamerichs die Bäume, sieben Jahre muss eine Tanne wachsen, bis sie tauglich fürs Fest ist. Angefangen haben er und seine Frau mit Rotfichten: „1976 haben wir die ersten Fichten gepflanzt.“
Die Böden hier sind gut, erklärt Kamerichs, daher wachse den Bäumen ein ausladendes Tannenkleid. Die Größen, die auf dem Havelshof fehlen, kauft Kamerichs dazu. Das sind vor allem Bäume, die über drei Meter groß sind oder etwas schlanker gebaut sind.
„Die meisten kaufen so um den dritten Advent ein“, erklärt Kamerichs. Für die Käufer hat er einige Tipps parat, damit die Nadeln möglichst lange am Baum bleiben. Anstatt den Baum direkt ins warme Wohnzimmer zu stellen, soll der lieber im Wintergarten oder auf der Terrasse auf seinen Einsatz warten.
Die Suche nach dem richtigen Weihnachtsbaum will genau geplant sein, denn da kann einiges schief gehen. Albert Kamerichs erlebt bei seiner Arbeit die skurrilsten Geschichten. Da kommt die Dame in Stöckelschuhen oder der Hausherr hat ganz spezielle Wünsche: „Die Leute kaufen oft zu große Bäume.“ Und manchmal auch viel zu Große: In einem Jahr bestellte ein Kunde „ein Monstrum“. Drei Meter hoch, drei Meter breit. Kamerichs lieferte den Baum direkt bis vor das Haus des Kunden und wusste sofort: „Der passt hier nicht rein. Die hatten eine Deckenhöhe von 2,20 Meter.“ Der Kunde war erfinderisch und orderte: Oben und unten abschneiden. Als auch der Rest des Riesenbaums nicht ins Wohnzimmer passte, bekam Kamerichs den Auftrag, an allen Seiten die Äste abzuschneiden. Das Ergebnis: rechteckig und alles andere als schön. Das fand auch der Kunde und bestellte sich einen neuen Baum.