Mutterschaft auf Probe

Simulation: An der Förderschule Hehnerholt lernen Schülerinnen mit einer lebensecht wirkenden Babypuppe, die schreit und Hunger bekundet, was Elternsein heißt.

"Am Anfang fand ich das Baby süß", erzählt die 16-jährige Semanje. "Aber dann konnte ich weder essen noch schlafen - es hat immerzu geschrien. Ich dachte, das Leben mit einem Baby wäre leichter." Semanjes Baby heißt "Nur", ist ein Mädchen - beziehungsweise eine Puppe. Ein Babysimulator, um genau zu sein.

Semanje und ihre Mitschüler absolvieren ein Elternpraktikum an ihrer Schule, der Förderschule Hehnerholt. Jeweils drei Tage und zwei Nächte versorgen die 15- und 16-jährigen Schüler ihr "Baby". Die Puppe hat das Gewicht und die Größe eines Neugeborenen und sie muss genauso versorgt werden. Sie schreit, wenn sie Hunger hat, wenn die Windeln gewechselt werden müssen oder wenn sie herumgetragen werden möchte.

"Man ist wirklich die ganze Zeit mit dem Kind beschäftigt", berichtet Jennifer. "Also für mich käme ein Baby jetzt zu früh." Das ist eine Erkenntnis, die die Schule ihren Schülerinnen und Schülern, denn auch einige Jungen übernehmen die Babypflege, vermitteln möchte.

Immer wieder werden Schülerinnen mit 15 oder 16 Jahren schwanger. "Die Schüler sollen lernen, was es bedeutet, Eltern zu sein", erklärt Sigrid Kappenstein, die stellvertretende Schulleiterin. Die Babysimulatoren, die mit Hilfe einer Spende des Soroptimist Serviceclubs angeschafft werden konnten, sind nur ein Baustein des Unterrichtsprojekts, wenn auch der eindrucksvollste.

"Wir haben uns das ganze Schuljahr mit dem Thema beschäftigt", sagt Melanie Villanueva. Der Ablauf einer Schwangerschaft, Risiken, Vorsorgeuntersuchungen, Besuche bei einer Babyklappe und im Kreißsaal standen auf dem Programm.

Auch mit dem Thema Partnerschaft setzten sich die Schüler auseinander. Zum Schluss kam dann der Praxistest. Die Schülerinnen und Schüler gingen sehr ernsthaft an die Sache heran.

"Ich war aufgeregt und nervös", erzählt Jennifer. Ihre Mitschülerinnen berichten auch von den Reaktionen der Umwelt. Viele wurden auf das Baby, das sehr echt wirkt, angesprochen, eine sogar beschimpft.

Am Ende der Babyphase wird in der Schule ausgewertet, ob sich die Probe-Mütter richtig verhalten haben. Der eingebaute Chip registriert jedes Fehlverhalten. "Eine Schülerin hatte neunmal vergessen, den Kopf des Babys zu stützen", berichtet Sven Stapelmann, Lehrer und Initiator der Aktion. "Darauf konnten wir sie im Anschluss hinweisen."

Die Schule Hehnerholt möchte die erfolgreiche Aktion ausweiten: Es sollen noch weitere Babysimulatoren angeschafft werden, die dann auch von anderen Schulen ausgeliehen werden können.