Pilger: Auf wunden Füßen nach Santiago de Compostela
Der Wickrather Gerhard Jansen hat 1000 Kilometer auf dem Jakobsweg zurückgelegt.
Mönchengladbach. Zum Glück hat Gerhard Jansen seine treue Henriette. Sie ist bei ihm in sengender Hitze und eisiger Kälte, bei Regen und bei Hagelschlag. Wenn er kurz davor ist, aufzugeben, weil die wunden Füße einfach nicht mehr weiterwollen, kann er sich an ihr wieder aufrichten.
Doch Henriette gibt nicht nur Halt auf steinigen Wegen und schlammigen Pfaden, sie sieht auch toll aus: Über ihrer schlanken Figur bei 1,60Meter Größe erhebt sich eine Frisur, die auf dem berühmten spanischen Jakobsweg zur Attraktion wird.
"Ich habe den Weidenast, der irgendwann für mich zur ,Henriette’ wurde, nach und nach mit Ähren, Federn und Blumen geschmückt", erzählt der 61-jährige Wickrather. Der Stab ist das Erkennungszeichen des Pilgers vom Niederrhein. Andere Wanderer wollen sich mit ihm fotografieren lassen; bald nennen Franzosen, Spanier, Koreaner oder Amerikaner Jansens Gehhilfe nur noch Henriette.
Ein paar Wochen zuvor: Als Gerhard Jansen auf der Feier zu seinem 60.Geburtstag verkündet, er will den Camino nach Santiago de Compostela entlang pilgern, reichen die Reaktionen von "Toll! Nimmst du mich mit?" bis zu "Bist du verrückt?". Eine der häufigsten Fragen: "Warum machst du das?" Seine Antwort: Weder aus religiösen Gründen, noch weil Hape Kerkeling es auch gemacht hat, sondern: "Weil ich es will."
Und so bricht der gebürtige Odenkichener, der während seines Arbeitslebens im Hotelfach schon viel von der Welt gesehen hat, am 21.Mai des vergangenen Jahres am Fuße der französischen Pyrenäen auf. 30 Tage und 1000 Kilometer liegen vor ihm.
Sein erstes Domizil: eine umgebaute alte Kirche mit über hundert Schlafplätzen in Form von Stockbetten. "Da waren dann wahre Schnarch-Symphonien zu hören", erzählt Jansen. Doch der Gladbacher ist nicht pingelig und übernachtet einmal sogar in einem ehemaligen Ziegenstall, den typischen Gestank der Tiere in der Nase.
Weitaus schlimmer sind für ihn das wechselhafte Wetter mit Temperaturen zwischen fünf und 35 Grad Celsius und die Folgen der täglich zurückgelegten Kilometer. "Ich hatte am linken Fuß vier riesige Blasen, da guckte schon das rohe Fleisch raus." Er humpelt ins Krankenhaus und wird zu seinem Erstaunen schnell und kostenlos behandelt. Es sei eine Ehre, für Pilger zu sorgen, erklärt ihm der spanische Arzt.
Mit das Schönste an der Pilgertour sind die Bekanntschaften mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern. "Wir saßen mal mit zwölf Leuten aus zehn Nationen an einem Tisch", so Jansen. Als er mit einigen neuen Freunden, endlich in Santiago angekommen, die Messe in der berühmten Kathedrale besucht, läuft es ihm "heiß und kalt den Rücken runter".
Eine kleine Enttäuschung erlebt er allerdings: Der "Botafumeiro", das gewaltige Weihrauchfass, darf aus irgendwelchen statischen Gründen nicht durch den Innenraum geschwenkt werden. Aber Gerhard Jansen kann ja wiederkommen. Seine Henriette jedenfalls steht griffbereit im Flur.