Stadtarchiv: Geschichte lagert bei 17 Grad

Im Gladbacher Stadtarchiv werden Personen-Urkunden ab 1798 aufbewahrt.

Mönchengladbach. Grau, grün, blau oder rot reihen sie sich aneinander. Manche sind vergilbt und zerknittert, andere gut erhalten und ansehnlich. Im Mönchengladbacher Stadtarchiv lagert in Personenstandsbücher hinter verschlossenen Türen bei 17 bis 19 Grad Stadtgeschichte aus mehreren hundert Jahren.

„Das älteste Register, das wir hier haben, ist von 1798“, sagt Dr. Christian Wolfsberger vom Stadtarchiv. Gezielt greift er in ein Regal und zieht ein altes Din A4-großes Buch hervor, dessen Ecken zerfleddert sind. In seinem Inneren erwartet den Leser nicht nur die alte deutsche Schrift, sondern auch die französische Sprache — denn Gladbach war von 1798 bis 1814 unter französischer Herrschaft.

Als im Januar 2009 das neue Personenstandsrecht für Standesämter eingeführt wurde, erhielt das Stadtarchiv auf einen Schlag rund 4200 Bücher mit insgesamt über einer Millionen Urkunden. In Personenstandsbüchern werden Geburt, Heirat und Tod registriert. Bis 2013 werden elektronische Personenstandsregister eingeführt. Dann erfasst das Standesamt alle neuen Urkunden elektronisch. Das neue Recht legte auch fest, dass die alten Bücher nach Ablauf bestimmter Fristen an die Archive übergeben werden müssen. Die liegt bei den Geburtsregistern bei 110 Jahren, bei den Eheregistern bei 80 und den Sterberegistern bei 30 Jahren.

„Die Sammlung hier im Archiv ist für Ahnenforscher ein reines Paradies“, sagt Wolfsberger und streicht an den langen Regalwänden in dem alarmgesicherten und gekühlten Archivraum entlang. An zwei halben Tagen in der Woche haben Bürger und Forscher die Gelegenheit, einen Blick in die Bücher zu werfen. Das geht jedoch nur unter Aufsicht und nach vorheriger Anmeldung. Würde jemand eine Seite aus den wertvollen Büchern heraus reißen, oder ginge sogar eins verloren, wäre das eine kleine Katastrophe.

„Wer kommt, braucht immer einen Ansatzpunkt, wo wir anfangen können zu suchen“, erklärt Wolfsberger. Er hat schon erlebt, dass Bürger hier im Archiv völlig neue Dinge über ihre Familie gelernt haben. „Da tauchen auf einmal uneheliche Kinder des Vaters und bislang unbekannte Geschwister auf“, erzählt er. In den Büchern gibt es nicht nur Hinweise über Geburt, Heirat und Tod der betreffenden Person, sondern oft auch Informationen darüber hinaus. So zum Beispiel Anmerkungen über Kinder und sogar die Eheschließung dieser Kinder.

Wolfsberger möchte sämtliche Register gerne digitalisieren. Dann bräuchten Suchende lediglich den Namen des Gesuchten in den PC einzugeben und wüssten, in welchem Buch sie zu suchen hätten. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, und viel mühsame Arbeit liegt vor den Mitarbeitern des Stadtarchivs. Momentan müssen oft noch stapelweise alte Personenstandsbücher gewälzt werden, bis man auf die gesuchte Person stößt. Wer also etwas in der eigenen Familiengeschichte stöbern möchte, sollte sich nicht nur auf unleserliche Schrift, französische Sprache und vergilbte Seiten einstellen, sondern auch jede Menge Zeit und Geduld mitbringen.

„Das ist auch für unsere Mitarbeiterin sehr viel Arbeit“, sagt Wolfsberger. Zehn Stunden die Woche betreut sie das Archiv, bewacht den Lesesaal und schleppt die teilweise sehr schweren Bücher von A nach B. Doch ohne diese Arbeit würde die Geschichte von hunderten von Gladbacher Familien in Vergessenheit geraten, und Ahnenforscher hätten keine Anlaufstelle mehr für ihre Arbeit.