Leichtathletik: „In Holzheim war alles schöner“

Die Neu-Düsseldorferin Carolyn Moll trauert Neuss nach. Doch der Erfolg gibt der Deutschen Vizemeisterin über 100 Meter recht.

Neuss. Als die WZ vor vier Jahren die damals 13-jährige Holzheimer Leichtathletin Carolyn Moll erstmals vorstellte, war sie bei den 14-Jährigen die schnellste Läuferin im Rhein-Kreis Neuss auf den Sprintstrecken. Am Freitag wurde sie nun über die 100 Meter in 11,82 Sekunden Deutsche Vizemeisterin bei der A-Jugend.

Die neue Deutsche Jugendmeisterin war nur um 0,07 Sekunden schneller als "Caro", die mit Silber sehr zufrieden war. Sie hatte sich zuvor selbst mächtig unter Druck gesetzt, als sie nach dem Meistertitel im 100 Meter-Lauf bei den Nordrhein-Meisterschaften in der Vorwoche ankündigte, "in Berlin unbedingt eine Medaille zu gewinnen".

Der Hintergrund für diesen Druck war klar: Carolyn Moll war von dem für den Nachwuchs zuständigen Sprint-Bundestrainer Alexander Seeger aus Pliezhausen für die U20-Junioren-WM in Bydgoszcz nicht berücksichtigt worden. Eigentlich hatte sich Moll bei der Ausscheidung in Mannheim für das deutsche Staffel-Quartett über 4x100-Meter qualifiziert, da sie im A-Endlauf viertschnellste deutsche Läuferin gewesen war.

"Der kann mich einfach nicht leiden und ist immer unfreundlich zu mir", ärgert sich die 17-Jährige schon lange über "Alex" Seeger. Und der bekam offenbar eine günstige Gelegenheit, "Caro" eins auszuwischen. Im B-Finale war nämlich die Kölnerin Lena Günther etwas schneller als die Dormagenerin im A-Finale - und schon war Carolyn Moll aus der ersten Staffel aussortiert.

Das brachte die Gymnasiastin derart auf die Palme, dass sie an dem anschließenden Testlauf der B-Staffel gar nicht erst teilnahm und fluchtartig Mannheim verließ. Zu Hause zog sie es dann vor, den Abiturball ihrer zwei Jahre älteren Schwester Janna, der auf einem Rheinschiff stattfand, zu besuchen.

Am vergangenen Freitagabend hatte "Caro" nun die große Gelegenheit, "es dem Bundestrainer heimzuzahlen". Und wie: In Vor- (11,98 Sekunde) und Zwischenlauf (11,92 Sekunden) setzte sie als Siegerin bereits bemerkenswerte Durftmarken.

Das Finale wurde dann zum echten Showdown: Moll erwischte den besten Start, bekam dann aber in der Beschleunigungsphase bei 30 Metern einen Oberschenkelkrampf und rettete sich - nur ganz knapp geschlagen von der Favoritin Yasmin Kwadwo (11,75 Sekunden/Wattenscheid) - in 11,82 Sekunden als Zweite ins Ziel.

Dem Bundestrainer hatte sie damit die richtige Antwort gegebenen. Der dürfte sich nun unter Rechtfertigungsdruck befinden. Denn in Bydgoszcz war das deutsche Mädchen-Staffelquartett nicht ins Finale (Vorgabe des Deutschen Leichtathletik-Verbandes) gekommen und von den Französinnen um 0,02 Sekunden verdrängt worden. Das wäre mit Carolyn Moll im Team womöglich nicht passiert.

Seit Januar startet Carolyn Moll für den ART Düsseldorf. "Dort bin ich eigentlich noch nicht so richtig angekommen, in Holzheim war alles schöner. Der Vorstand hat sich besser um mich gekümmert, in Düsseldorf muss ich um alles betteln und den verantwortlichen Leuten hinterherlaufen", lässt sie letzte Zufriedenheit vermissen.

Das liegt jedoch nicht an ihrem Trainer Frank Dukat, der Kaarster kümmert sich seit nunmehr drei Jahren um "Caro" und hat ihr viel beigebracht. Dukat trainiert auch die nigerianischen Spitzensprinter Franca Idoko und Uche Isaac, die sich in Düsseldorf auf die Olympischen Spiele in Peking vorbereiten. "Bei diesem Projekt wollte ich unbedingt dabei sein, da kann ich enorm viel lernen", begründet Moll ihren Wechsel nach Düsseldorf.

Und was hat sich sonst verändert? Carolyn Moll muss nicht lange nachdenken. "Eigentlich nichts" - außer der Tatsache, dass sie im Januar ihre erste schwere Verletzung an der Oberschenkelmuskulatur erlitten hatte, die sie im Wintertraining weit zurückwarf. Sechs Wochen konnte sie nicht trainieren.

Noch immer ist sie eine gute Schülerin (Zeugnis-Durchschnitt 1,9), hat aber noch keinen speziellen Berufswunsch. Ihre drei Kornnattern halten sie nach wie vor in ihrer Freizeit auf Trab, denn die brauchen einmal in der Woche Lebendfutter. "Da gehe ich dann in den Tierfutterladen, kaufe drei Mäuse und setzte sie im Terrarium aus", schildert sie die gewöhnungsbedürftige Fütterungs-Zeremonie.

Alles in allem sei sie dennoch ein ganz normales Neusser Mädchen geblieben, das von einer Sprint-Karriere träumt, die einmal zu Olympischen Spielen führen soll. Vier Jahre hat sie dazu nun Zeit.