Fluglärm - Schon Embryos leiden mit
Mediziner referiert über Auswirkungen von pausenlosem Fluglärm.
Meerbusch. „Es geht nicht mehr um wollen und können, sondern wir müssen handeln“, bekräftigt Christoph Lange, Vorsitzender der kontinuierlich wachsenden Initiative Bürger gegen Fluglärm (BgF). „Warten sie nicht, dass der jeweils andere etwas tut. Das hat noch nie funktioniert.“ Im Kampf für Umwelt und Gesundheit referierte auf BgF-Einladung der Büdericher Mediziner Rüdiger Hüttl. Als Spezialist für geplagte Hals-Nasen-Ohrenwege legt Hüttl eine ausführliche Zusammenfassung von Studien, Fakten und Zahlen vor, die Aufschluss über das bedenkliche Ausmaß an Lärmschäden, die insbesondere die Schallpegel der Spät- und Nachtflieger auslösen können.
Unter dem Protest-Slogan „Das Ohr schläft nicht“ erhielten die Zuhörer im proppevollen Saal bei Grotenburgs am Mittwochabend Information aus der Lärmforschung, die sie verstehen ließen, wieso sich Betroffene physisch und psychisch gepeinigt, aggressiv und ohnmächtig fühlen — medizinisch betrachtet zu Recht, wie Hüttl betont. Denn auch wenn das Lärmempfinden des Einzelnen verschiedenen Einflussgrößen zwischen physikalischer Messbarkeit und subjektiver Bewertung unterliegt, gebe es eine absolute Grenze für regelmäßige akustische Belästigung. Die liege da, wo Ungeborene schon Schaden nehmen. Sie litten durch den von Schwangeren körperlich vermittelten hormonellen Stress, allem voran durch Cortisol verursacht. Dieses sollte während der Nachtruhe ganz absinken, wird jedoch durch Lärm drastisch erhöht. „Die Hörwelt beginnt ab dem fünften Monat, hier wird ein Hörgedächtnis geprägt“, sagt Hüttl besorgt. „Der Verlust von mindestens sechs Stunden Stille am Stück bringt eine hohe Verwundbarkeit mit sich.“
Nach der Geburt sei das junge Leben so wehrlos der Lautstärke ausgeliefert, dass es sich drastisch auf das Gerhirnwachstum und Lernverhalten auswirken könne. Tagesmüdigkeit, Leistungstiefs, Ängste und Depressionen machten aus gesunden Menschen „Null-Bock-Kinder“.
Die Betroffenheit über solche Aussagen war den Zuhörern ins Gesicht geschrieben, konnten sie doch leicht an sich selbst feststellen, wie sich der Gesamtgeräuschpegel in einem randvollen Saal auswirkt, an den eine ebenso volle Gaststube angrenzt. Ein Ausnahmezustand, der nur kurzfristig freiwillig ausgehalten wird.
Neben den Folgen aus gestörten Tiefschlafphasen durch Fluglärm verdeutlichte der Vortrag, wie schädlich sich beispielsweise der Kerosinausstoß auf die Atemwege des Individuums und sich Kondenswolken auf die gesamte Natur auswirken, wenn es nicht einmal in der Nacht Regenerationszeiten gibt. „Es gibt Städte, die bereits vor Klimaerwärmung kochen“, sagt Hüttl. „Man kann sagen, wir verlieren jetzt schon alle mindestens ein Jahr Lebenszeit.“