Rhein-Kreis Neuss: Projekt bereitet Familien auf häusliche Pflege vor

AOK und Akutkrankenhäuserdes Kreises unterstützen Angehörige.

Rhein-Kreis Neuss. Da sprechen selbst Klinik-Geschäftsführer von einer Grauzone: Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus tut sich oft für Angehörige ein gähnendes Loch auf, wenn das Familienmitglied nach Hause kommt und pflegebedürftig geworden ist.

Ängste, ein Gefühl von Ohnmacht, Unwissenheit angesichts dessen, was da auf die Familie zukommt: Das sind keine Einzelfälle, das ist erschreckend oft die Realität.

Mit einem groß angelegten Projekt im Rhein-Kreis Neuss halten jetzt die Akutkrankenhäuser in Kooperation mit der AOK dagegen.

Beteiligt sind die Kreiskrankenhäuser in Dormagen und Grevenbroich, die bereits begonnen haben, das Etienne und das Lukaskrankenhaus sowie das Alexius-/St.Josef-Krankenhaus in Neuss. Eng vernetzt, bieten die Partner das Modell "Familiale Pflege" an.

Das beginnt im Krankenhaus. Deutet sich an, dass ein Patient nach der Entlassung häusliche Pflege benötigt, sprechen Pflegekräfte die Angehörigen an, die werden dann im Rahmen eines Pflegetrainings schon am Krankenhausbett auf künftige Vorrichtungen speziell für das Krankheitsbild ihres Angehörigen vorbereitet.

Erweitert werden diese Kenntnisse in den sogenannten Initialpflegekursen: Pfleger aus der Klinik kommen ins Haus und vermitteln in zwölf Unterrichtsstunden individuell abgestimmte Kenntnisse, Tipps und Ratschläge.

"Es geht um Technik, aber es geht um viel mehr. Oft fließen Tränen. Und manchmal muss ganz schnell geholfen werden, zum Beispiel wenn der Entlassene zu Hause ist - das Pflegebett aber noch fehlt", sagt Thomas Weyers, Pflegedienstleiter am Kreiskrankenhaus Grevenbroich. Und er betont: "Es darf einfach kein Loch in der Versorgungskette geben."

Dass es diese Lücke allerdings oftmals gab und gibt, belegen Untersuchungen der Universität Bielefeld im Auftrag des Landesgesundheitsministeriums, die die Grundlage für das Modellprojekt der AOK Rheinland/Hamburg bildet.

Viel bleibt zu tun beim Übergang eines Pflegebedürftigen vom Krankenhaus nach Hause: Immer älter werden die Patienten, immer kürzer ist die Verweildauer in den Kliniken, immer größer wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen.

Zeiten, in denen demente und pflegebedürftige Patienten länger in den Krankenhäusern blieben, sind vorbei: Diese Überbrückungsfunktion werde heute als Fehlbelegung etikettiert und sei nicht mehr zu finanzieren, so Professor Katharina Gröning von der Universität Bielefeld.

Umso erfreuter zeigte sie sich gestern bei der Vertragsunterzeichnung im Haus der AOK in Neuss, dass der Rhein-Kreis Neuss nun komplett von der Aktion "Familiale Pflege" abgedeckt ist. Markus Richter, Geschäftsführer der Augustinus-Kliniken, betonte ebenso wie sein Kollege Hubert Reetzsch von den Kreiskrankenhäusern, die Angelegenheit sei "Herzenssache".

Es gehe allerdings auch um Kundenbindung. Und Annegret Deitmar-Hünnekens, Geschäftsführerin für den Pflegedienst im Lukaskrankenhaus, betonte, oftmals seien die Angehörigen geradezu überrollt, wenn der Entlassungstermin anstehe: "Diese Ergänzung haben wir gebraucht."

Von der AOK kam schließlich noch ein entscheidender Hinweis. Das Modellprojekt schließt andere Versicherte nicht aus. "Es wird am Krankenbett keine Unterscheidung geben", so Regionaldirektorin Marion Schröder.

Weitere Informationen bei Birgit van den Bergh, Pflegedirektorin im Kreiskrankenhaus Dormagen, Telefon 02133/66-2312, und Sabine Strelow, Regionaldirektion der AOK Neuss, Telefon 02131/293-452.