Die ungewöhnliche Geburt von Nele

Trotz einer Chemotherapie ist Nicole Heuchele im November Mutter geworden.

Neuss. Sie war durch eine Krebsbehandlung eigentlich unfruchtbar — nun hat Nicole Heuchele ein Kind auf die Welt gebracht. Am 29. November wurde die kleine Nele im Johnna-Etienne-Krankenhaus geboren — als deutschlandweit drittes und weltweit 20. Baby dessen Mutter vor einer Krebsbehandlung Eierstockgewebe entnommen und später wieder eingesetzt wurde. „Ich kann es immer noch nicht fassen“, sagt die 38-Jährige, während sie Nele im Arm hält.

Am 30. Mai 2011 erhielt die Jüchenerin die Diagnose Brustkrebs. „Ich habe in dem Moment als erstes gedacht, dass ich keine Kinder kriegen kann“, erinnert sich die Mutter, die bereits einen elfjährigen Sohn hat. „Wir hatten uns gerade dazu entschieden, ein weiteres Kind bekommen zu wollen.“

Vor der Krebstherapie wird die Patientin von den Ärzten des Johnna-Etienne-Krankenhaus gefragt, ob ein Kinderwunsch besteht. „Eine Altersobergrenze bei den Patientinnen gibt es nicht“, sagt der Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Dr. Matthias Korell. Im Verfahren der Kryokonservierung wird ein Teil des Eierstockgewebes entnommen, eingefroren und nach einer erfolgreichen Krebstherapie wieder rückverlagert, soweit das im Körper belassene Gewebe zerstört wurde.

Damit sich der Beginn der Krebsbehandlung nicht verzögert, muss der Eingriff schnell erfolgen. Im Falle von Nicole Heuchele lag kein Monat zwischen der Diagnose und der ersten Chemobehandlung, zwei Drittel ihres Eierstockgewebes wurden zuvor entfernt.

„Das Gewebe wird dann computerisiert eingefroren, damit sich keine Eiskristalle bilden können“, erklärt Korell. Drei Gefrierbanken in Deutschland können das Gewebe aufnehmen, in diesem Fall wurde es nach Bonn gebracht.

Nach der letzten Bestrahlung im Februar 2012 war der über drei Zentimeter große Tumor in der Brust von Nicole Heuchele komplett entfernt, ein halbes Jahr später wurde ein Teil des Eierstockgewebes wieder rückverlagert.

„Es werden zehn bis 15 Streifen entnommen, die einzeln eingefroren werden“, erklärt Korell. Später werden pro Rückverlagerung vier Streifen wieder in den Körper gepflanzt. „Das passiert etwa einen Zentimeter unterhalb des Eierstocks in einer Bauchfelltasche, damit eine gute Blutversorgung gewährleistet ist“, so Korell.

Die Kosten für die Operation in Höhe von rund 1500 Euro sowie für die Lagerung des Gewebes in Höhe von 300 Euro im ersten und je 150 Euro in den Folgejahren übernimmt die Krankenkasse nicht.

Nicole Heuchele kann ihre Tochter heute sogar stillen — mit der unbestrahlten Brust.

Auch im Krankenhaus ist die Freude groß. Nach der Uniklinik Erlangen, in der die ersten beiden Babys nach diesem Verfahren geboren wurden, ist das Johnna-Etienne-Krankenhaus das zweite Krankenhaus in Deutschland, in dem diese Behandlungsmethode erfolgreich angewandt wurde.