Die Vielfalt in den Gärten nimmt ab
Weil Zukäufe im Frühjahr teuer sind, setzt die Stadt auf robuste Sorten, die bereits im Herbst gepflanzt werden.
Neuss. So ein Stiefmütterchen hält was aus. Das macht das Blümchen aus der Gattung der Veilchen (Viola) nicht nur zum Hit auf den Friedhöfen der Region, sondern auch zum pflegeleichten Partner der Blumenfreunde im Rathaus. Ihre Fähigkeit, auch frostige Tage draußen zu überstehen, erspart nämlich dem Amt für Umwelt und Stadtgrün die Arbeit, im Frühjahr die Beete neu bepflanzen zu müssen. „Das machen wir nicht mehr“, betont Gärtnermeister Peter Roßbach — was dem Umweltausschuss-Vorsitzenden Michael Klinkicht (Grüne) völlig neu ist. „Da werde ich wohl Rücksprache nehmen müssen“, sagt er.
Roßbach ist seit 35 Jahren bei der Stadt und hat auch die 2012 geschlossene Stadtgärtnerei am Botanischen Garten geleitet. Die war nicht nur Ausbildungsbetrieb, sondern auch der Ort, an dem die Blumen für das öffentliche Grün selbst gezogen wurden. Primeln, Vergissmeinnicht und andere Frühlingsblumen wuchsen in städtischen Gewächshäusern heran, bevor sie ausgepflanzt wurden. Doch diesen Reichtum an Farben und Formen gibt es nicht mehr. Nun kauft die Stadt alle Setzlinge an. Und weil „Zukäufe im Frühjahr teuer sind“, wie Roßbach erläutert, setzt die Verwaltung jetzt ganz auf Stiefmütterchen und Tulpen, die schon im Herbst in die Erde kommen.
„Das heißt nicht, dass die Beete nicht bunt werden“, sagt Roßbach. Allerdings nehme die Vielfalt deutlich ab. Mehr als 18 000 Stiefmütterchen, 3250 Tulpenzwiebeln, aber nur einige wenige Narzissen sind im vergangenen Jahr geordert und „verbuddelt“ worden, um nun von der Frühjahrssonne hervorgelockt zu werden.
Stiefmütterchen seien auch viel robuster als etwa die Primeln, sagt Rossbach fast entschuldigend. „Die werden nach einem Regenguss schnell unansehnlich.“ Doch auch die „Viola“ hat Schwachstellen. Dass sie den ganzen Winter über draußen ist, macht sie für Kaninchen interessant — und mit beginnender Blüte noch attraktiver. „Die fliegen auf alles, was gelb ist“, sagt Rossbach.
Was aus seiner Sicht die Frühjahrsbepflanzung in ihrer Bedeutung mindert, ist die kurze Vegetationsperiode. Denn ab Mitte Mai werden die Beete nach und nach für die Sommerbepflanzung geräumt, die ungleich bunter und vielfältiger daherkommt. Über ein Dutzend Arten hat das städtische Amt für den sommerlichen Blumengruß ausgeschrieben.
Auf die Farbenpracht auf den Beeten kann Rossbach nur noch über den Bestellzettel seiner Ausschreibung Einfluss nehmen. Denn dieses Leistungsverzeichnis regelt, was ein Generalunternehmer zu tun und zu lassen hat. Die Ausschreibung habe ein Neusser Unternehmen gewonnen, das die Pflanzen liefert, setzt, angießt, mehrfach in der Saison wässert und auch die Beete sauber hält. Alles in allem lässt sich die Stadt das 45 000 Euro kosten. Aber die Vergabe der Arbeiten erlaubt, dass sich die städtischen Gärtner um andere Dinge kümmern — die Wartung der 26 Brunnen im Stadtgebiet zum Beispiel.