Flüchtlinge sollen ins Sportforum ziehen
Die Halle ist weiter Favorit der Stadt, um kurzfristig 150 Flüchtlinge unterzubringen. Von den Radsportlern kommt Kritik.
Büttgen. Es ist eine Aufgabe, die sich nur gemeinsam lösen lässt, so viel steht fest. Schon sehr bald, das hatte Sport- und Sozialdezernent Sebastian Semmler vergangene Woche im Stadtrat unmissverständlich klargemacht, könnte Kaarst vom Land gebeten werden, auf einen Schlag 150 Flüchtlinge unterzubringen. Die Stadt bereitet sich intensiv darauf vor, als Erstaufnahmestelle in Anspruch genommen zu werden. Für die geforderte zentrale Unterbringung der Flüchtlinge schlägt die Verwaltung das Sportforum in Büttgen vor.
„Nach der derzeitigen Bewertungslage und unter Abwägung aller Positionen und Aspekte halten wir diese Halle für die Geeignetste“, sagt Sebastian Semmler auch heute, nachdem eine Menge Beschwerden, Zweifel und „bessere Vorschläge“ an ihn herangetragen worden sind. Große Sporthallen — das sind die Erfahrungen aus den Nachbarkommunen — sind als Erstaufnahmestellen am einfachsten zu managen, denn: Sie gehören in der Regel der Stadt, sind frei und bieten, zumindest teilweise, die notwendige sanitäre Ausstattung.
Für die Versorgung der Flüchtlinge, die anders als die regulär Zugewiesenen auf direktem Weg nach Kaarst kommen, muss die Stadt grundsätzlich die gesamte Infrastruktur vorhalten: Schlafmöglichkeiten, WCs und Duschen, Waschmaschinen, Verpflegung, Räume für ärztliche Sprechstunden, für Kranke, Schwangere und schwer Traumatisierte, für Hausmeister und Helfer, dazu befestigte Flächen für die Erstuntersuchungs- und Aufnahmezelte. „Leerstehende Hallen oder Industrieanlagen, die nicht der Stadt gehören, können nur mit erheblichem Aufwand und sicher nicht innerhalb von 24 Stunden hergerichtet werden“, sagt Semmler.
Das Sportforum bleibt also vorerst Favorit. Beheizt würde die Halle über Warmluftgeräte. Damit, sagt Semmler, habe man vor Jahren bei einer Messe gute Erfahrungen gemacht. Für ein Mindestmaß an Privatsphäre soll ein Messebauer Trennwände errichten. Nach derzeitigem Stand könnte die Gymnastikhalle offen bleiben. „Dass während der Unterbringung auch die Radbahn zu bestimmten Zeiten genutzt werden kann, halte ich ebenfalls nicht für ausgeschlossen“, sagt der Sport- und Sozialdezernent.
Eine abschließende Entscheidung ist noch nicht gefallen. Sollte die Zuweisung noch vor dem Bundesschützenfest in Büttgen kommen, bei dem das Sportforum eine zentrale Rolle bei der Planung spielt, werden die Flüchtlinge übergangsweise in der Dreifachhalle des GBG untergebracht.
Toni Kirsch, Präsident des Radsport-Verbandes Nordrhein-Westfalen, ist von der Idee das Sportforum für den Trainings- und Wettkampfbetrieb zu schließen, um dort die Flüchtlinge unterzubringen, alles andere als begeistert. Toni Kirsch möchte nicht missverstanden werden: „Natürlich muss diesen Menschen schnellstmöglich geholfen werden.“
Doch er sagt auch: „Es gibt nur zwei überdachte und damit ganzjährig nutzbare Radrennbahnen in Deutschland. Fällt die in Büttgen weg, ist die Existenz des Radsports als Leistungssport in NRW gefährdet.“ Kirsch, auch Vize-Präsident Jugend im Bund Deutscher Radfahrer (BDR), macht das an zwei Dingen fest. Zum einen der Nachwuchsförderung: Büttgen ist Landesleistungsstützpunkt sowie Standort für Talentsichtung und Talentförderung. „Und die findet von jetzt bis ins Frühjahr hinein fast ausschließlich auf der Bahn statt“, weiß Kirsch. Da sind zum anderen die drei NRW-Olympiahoffnungen Mieke Kröger, Lucas Liß und Nils Schomber, die wie weitere Nationalfahrer regelmäßig in Büttgen trainieren. „Für sie stehen in den nächsten Monaten die entscheidenden Qualifikationsrennen an“, sagt Kirsch.
Bleibt das Sportforum geschlossen, sieht er ihre Olympiateilnahme gefährdet. Mit einschneidenden Konsequenzen nicht nur für die drei Talente: „Ohne Olympiastarter bekommen wir keine Zuschüsse und Fördermittel mehr. Unser ganzes Leistungssportkonzept, unsere ganze Arbeit der vergangenen zehn Jahre war dann für die Katz’.“