„Harter Schnaps spielt eine größere Rolle als früher“
Der Chefarzt der Kinderklinik beobachtet den Hang zum Alkohol bei Jugendlichen mit großer Sorge.
Neuss. „Das kommt sehr gut hin, auch wir haben einen leichten zahlenmäßigen Rückgang in den letzten Jahren verzeichnet“, sagt Dr. Guido Engelmann, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche am Lukaskrankenhaus in Neuss (Foto rechts). Damit nimmt er Bezug auf die neueste Studie des statistischen Landesamtes.
Demnach wurden 143 Jugendliche zwischen zehn und 19 Jahren im Jahr 2012 im Rhein-Kreis Neuss wegen einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert. Das entspricht 0,31 Prozent der gleichaltrigen Bevölkerung. Noch im Jahr 2011 waren es 173 Jugendliche, das bedeutet einen Rückgang von 17,3 Prozentpunkten.
Engelmann sieht in diesem Rückgang jedoch eher eine statistische Schwankung als eine dauerhafte Verbesserung der Situation. „Wir bewegen uns seit 2009 immer etwa im gleichen Zahlenbereich, deshalb sehe ich eigentlich keine bleibende Veränderung. Es sind wirklich viele Kinder und Jugendliche, die bei uns mit einer Alkoholvergiftung eingeliefert werden. Ich denke, es sind etwa zwei bis drei Fälle in der Woche“, sagt er.
Grundsätzlich geht er davon aus, dass sich die Zahlen der stationär behandelten Jugendlichen unter Alkoholeinfluss langfristig erhöht haben.
Bemerkenswert seien die Umstände, unter denen stark alkoholisierte Heranwachsende eingeliefert werden. „Der Rettungsdienst wird meist von den Trinkkumpanen alarmiert. Außerdem glaube ich, dass heute harter Schnaps eine größere Rolle bei Kindern und Jugendlichen spielt als früher“, sagt er.
Die jüngsten Patienten mit einer Alkoholvergiftung, die er behandelt hat, waren zwölf Jahre alt. „Solche Fälle sind aber doch eher selten. Die 15- und 16-Jährigen sind die Gruppe, die wir am häufigsten betreuen“, sagt der Chefarzt.
„Mehrfachtäter“ habe er nur wenige: „Das sind eher die Ausnahmen. Der Aufenthalt nach einer Alkoholvergiftung in einem Krankenhaus scheint doch ein lehrreiches Ereignis zu sein“, sagt Engelmann.
Eingelieferte Jugendliche werden stationär größtenteils überwacht. „Das ist ja nicht ungefährlich. Wir achten darauf, dass sie nicht an ihrem Erbrochenen ersticken“, sagt er. Wichtig sei außerdem die Wasserzufuhr. Eine Infusion mit einer Zuckerlösung bewirke, dass ihnen ein übler Kater erspart bleibe.
Bei der Entlassung wird den Eltern nahegelegt, ihr Kind zu der Drogenberatungsstelle Drobs zu schicken. „Schließlich muss es ja einen Grund für dieses exzessive Alkoholtrinken geben. Die meisten Eltern wollen das aber nicht. Denen ist es unheimlich peinlich, dass ihr Kind wegen Alkohol ins Krankenhaus gekommen ist und die wollen dann nur schnellstmöglich wieder verschwinden“, sagt der Chefarzt.