Kaarst: Eine Orgel mit eigener Treppe
Das Instrument in St. Martinus steht fast komplett. Einige Pfeifen werden noch eingesetzt.
Kaarst. Der Geruch von frisch gesägtem Holz liegt in der Luft, als Martin Pfanner die neue Treppe in der St. Martinus-Kirche herauf schreitet. "Das ist schon etwas Ungewöhnliches", sagt er fast bewundernd.
Was der 30-Jährige meint, ist die Tatsache, dass die Mitglieder des Kirchenchores beim Betreten ihrer Plattform bald direkt durch das Innere der neuen Orgel steigen, die zurzeit in der Kirche aufgebaut wird. Wenn die Orgel spiele, könne man so die sich bewegende Spieltraktur beobachten, sagt Pfanner.
Seit vier Wochen schuftet der Orgelbauer mit seinen Kollegen Tag für Tag in der Kirche. Eine Woche hat das vierköpfige Team noch vor sich. Dann soll das brachiale Zehn-Tonnen-Instrument zumindest technisch fertig sein. Die richtig schweren Arbeiten haben die Mannen um Pfanner schon hinter sich.
"Zum Beispiel mussten wir viele, mitunter Kilo schwere Teile, schadenfrei mit einem Elektrokran in die obere Etage befördern", erzählt Pfanner. Präzisionsarbeit.
Gerade ist er dabei, die ohnehin schon silbern funkelnden Pfeifen des Instruments auf Hochglanz zu polierern. "Aber nur die sichtbaren, die so genannten Prospektpfeifen", sagt der Fachmann von der östereischischen Firma Rieger Orgelbau und klärt auf:
"Viele Leute glauben, dass diese zirka 30 sichtbaren Pfeifen die einzigen einer Orgel sind. Tatsächlich gibt es meistens über 2000 Stück."
Und genau diese werden dem Nachfolgetrupp von Pfanner und seinen Kollegen, den Intonateuren, noch eine Menge Arbeit bereiten. Genau genommen fast zwei Monate lang.
Denn die bis zu sechs Meter langen Rohre wollen gestimmt werden, und zwar penibel genau. Die Fachleute waren schon vor einiger Zeit in St. Mauritius und haben sich ein akustisches Bild von der Kirche gemacht.
Allerdings werden Pfanner und seine Kollegen in dieser nächsten Arbeitsphase nicht überflüssig. "Wir sind den Intonateuren oft Gehilfen bei ihrer Arbeit", sagt der Orgelbauer. Deshalb könne auch in diesem handwerklichen Beruf musikalisches Verständnis nicht schaden.
Die 600.000 Euro teure Orgel ist fast zehn Meter hoch und hat 36 Register, das sind 2.200 Pfeifen. Die äußere Holzverkleidung ist in einem Blauton gehalten und die Pfeifenkästen leuchten rötlich.
"Das ist das Blau und das Rot, das man auch in den Fenstern findet", sagt Pfanner zum persönlichen Design der Orgel. Ebenfalls sehr individuell ist die Form der Orgel. So ist die Bogenform der Instrumentenfront der Rundung im Altarraum nachempfunden.
Derzeit sieht der Innenraum der Kirche noch aus wie eine Lagerhalle. Kartons stehen herum, Sitzbänke werden zu Pfeifenablagen umfunktioniert. Doch das wird spätestens im November passé sein. Dann nämlich wird sie eingeweiht, die neue Orgel.