Kaarst: Mehr Senioren, weniger Schüler

WZ-Talk: Die Gesellschaft verändert sich. Wie geht die Politik damit um? Ist sie darauf vorbereitet?

Kaarst. Es gibt immer weniger Menschen in Deutschland, und gleichzeitig werden die aber immer älter. Insbesondere über 80-Jährige gibt es immer mehr. Das Durchschnittsalter von derzeit rund 42 Jahren steigt auf 50 Jahre. Das ist ein Phänomen, das in allen Industrienationen zu beobachten ist. Man nennt dies den demographischen Wandel.

So wird auch in Kaarst das Durchschnittsalter steigen, es immer weniger Kinder geben. Die Politik spürt die ersten Auswirkungen: Die Stadt unterhält derzeit ein Raumangebot für 2380 Grundschulkinder.

1650 Grundschüler gehen zur Schule, im Jahr 2013 - so rechnet die Stadt - werden es nur noch 1420 Schüler sein. In diesem Jahr wurden 437 Kinder eingeschult, 2013 werden es nur noch 365 sein. Das bedeutet: Mindestens zwei Grundschulen müssten geschlossen werden.

Der demographische Wandel hat auch Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt: Über die Hälfte der Häuser in Kaarst sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Werden sie in wenigen Jahren leer stehen? "Es ist doch schon jetzt zu beobachten, dass in Kaarst über 200Einfamilienhäuser angeboten werden. Gleichzeitig ist die Bevölkerung in den letzten Jahren um 500 Bürger geschrumpft", sagt Anneli Palmen, SPD-Fraktionsvorsitzende.

Wie ist die Stadt auf den Wandel vorbereitet? "Wir brauchen aufgrund der zukünftigen Herausforderungen ein Leitbild", sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Jochen Dürrmann. Damit ist ein grobes Bild einer angestrebten Zukunft gemeint, das das Handeln auf dieses Ziel hin koordiniert, also auch den demographischen Wandel berücksichtigt. Seine Partei hat ein Leitbild jüngst im Stadtrat erneut gefordert. Nur die SPD unterstützte den Antrag der Liberalen.

"Die CDU hat ein Leitbild, Ziele für die Stadt formulieren wir in unserem Wahlprogramm", sagt CDU-Ratsherr Sebastian Johnen. Für Anneli Palmen ist das ein schlechter Scherz: "Dass die CDU ein Leitbild hat, dass leitet sich ja aus dem Parteinamen ab. Aber das muss ja nun nicht, für die ganze Stadt gelten", ärgert sie sich.

Sie verweist auf die Notwendigkeit, endlich Ziele zu formulieren. "Wir wissen doch einfach gar nicht, ob in die leerstehenden Häuser neue Familien einziehen werden oder nicht. Das wiederum kann auch Auswirkungen auf die Schulsituation in Kaarst haben", sagt Palmen.

Sie verweist auf die Grundschule Stakerseite: "Das Gebäude ist seit über 30 Jahren eine Übergangslösung. Dort werden immer mehr Schüler angemeldet. Das Gebäude muss saniert werden, auf der anderen Seite haben wir Schulen, die ausgebaut wurden, aber die Schüler fehlen. Da stimmt doch etwas nicht."

"Im Hinblick auf die absehbare Bevölkerungs- und Altersentwicklung in Kaarst in den nächsten Jahren ist die Haltung der Ratsmehrheit unverantwortlich", schimpft auch Dürrmann.

Welche Auswirkungen ergeben sich für öffentliche Einrichtungen, fragt sich Bürgermeister Franz-Josef Moormann. Zudem müsste das Angebots- und Dienstleistungsprofil der Stadt angepasst werden. Er verweist darauf, dass die Kommunalpolitiker aller Parteien ab November an Seminaren der Bertelsmann-Stiftung teilnehmen könnten, um sich über den demographischen Wandel zu informieren.