Neuss: Ein Ansatz auf dem Weg zum sauberen Radsport

Doping-Bekämpfung: Sascha Severin hat das „Neusser Modell“ entwickelt: Bei der Deutschlandtour kommt es zum Einsatz.

Neuss. Seit Freitag sind die Radprofis auf der Deutschlandtour, einer der bedeutendsten europäischen Rundfahrten, unterwegs, heute werden sie gegen 17Uhr am Etappenort Neuss durchs Ziel vor dem Obertor rasen. Untrennbar verbunden ist die diesjährige Deutschlandtour mit dem "Neusser Modell":

Die erst vor einem Jahr so benannte ganzheitliche Anti-Doping-Initiative mit Neuerungen, die jetzt erstmals greifen, ist ein Produkt "made in Neuss". Der Initiator heißt Sascha Severin (37): Ex-Radprofi des Nationalteams der Bahnradfahrer und Zeitfahrer, über das Thema "Leistungssteigernde Präparate im Kinder- und Jugend-Leistungssport" promovierter Sportwissenschaftler und seit einigen Jahren im Presseamt tätig.

Sascha Severin ist Radsportler und Radsportfan aus ganzem Herzen. Und so litt und leidet er an immer neuen Dopingfällen. Dem Radsport seine Glaubwürdigkeit zurückzugeben: Das war das gar nicht bescheidende Ziel des Sportwissenschaftlers, als er vor etwa einem Jahr zum ersten Mal mit Hans Geyer, dem stellvertretenden Leiter des renommierten Instituts für Biochemie an der Sporthochschule Köln zusammentraf.

Dort hatte man gerade ein Verfahren zum Nachweis von Insulin entwickelt: ein im Leistungssport weit verbreiteter "Regenerationsbeschleuniger", so Severin. Doch noch war dieses Verfahren, "eine rein deutsche Erfindung", noch nicht von der Welt-Doping-Agentur (WADA) genehmigt. Nur ein Beispiel für neue Testmöglichkeiten.

Es ging darum, so Severin, "intelligente Dopingkontrollen" zu entwickeln und dann auch ihre Anwendung zu fordern: eine Säule des "Neusser Modells". Die zweite ist die Prävention - Arbeit in Schulen und Vereinen. Hier fand Severin Unterstützung und Mitstreiter im Zentrum für Dopinprävention der PH Heidelberg.

"Wir wollen weg vom destruktiven Ansatz. Und wir wollten von Beginn an diesen ganzheitlichen Ansatz an die Deutschlandtour koppeln."

Die Organisatoren um Tour-Direktor Kai Rapp ließen sich schnell überzeugen. Auch die WADA gab ihr Okay, und so werden jetzt erstmals die "intelligenten Dopinkontrollen" in vollem Umfang greifen.

Was das bedeutet, schildert Severin so: Kontrollen gibt es auf jeder Etappe, auch mal kurz vor dem Start, mal spät abends, die Zahl der Kontrollen wird erhöht - und es werden eben erstmals die neuen Verfahren angewandt, die nicht nur Insulin aufspüren sollen, sondern auch Proteasen, vereinfacht "Eiweißkiller", oder einen ebenfalls neuen Test zum Nachweis von regelmäßigem Einsatz des muskelaufbauendem Testosterons.

Einige Radprofis haben die Deutschlandtour abgesagt und fahren stattdessen die spanische Vuelta. Wegen des Neusser Modells? Sascha Severin hält sich zurück, verweist nur darauf, dass es bei der Vuelta kein spezielles Anti-Doping-Programm gibt. "Sollte es einen Zusammenhang geben, fass ich das als Kompliment auf." Das Neusser Modell jedenfalls macht bundesweit und darüber hinaus die Runde.

Sascha Severin, der überzeugte Radsportfan, erkennt jedenfalls einen "neuen Anti-Doping-Geist" und ist nach wie vor überzeugt: Leistungs- und Spitzensport ist ohne Doping möglich. "Bei der Deutschlandtour sehen wir wieder authentischen Sport", sagt er. "Wenn es so weitergeht wie in diesem Jahr, sehe ich noch Hoffnung." Am Samstag beim Zeitfahren will er auch aufs Rad steigen.