Kommunalwahl 2020 in Neuss Jetzt geht der Wahlkampf richtig los

Neuss. · Seit Samstag darf in Neuss für die Wahl plakatiert werden. Inzwischen sind ganze Straßenzüge von den Parteien entsprechend ausstaffiert. Die CDU setzt im Wahlkampf zudem auf ein neues Element: Augmented Reality.

Bürgermeister Reiner Breuer strebt das Triple an: „Nach Landtagswahl und Bürgermeisterwahl will ich nun erneut zum Bürgermeister gewählt werden.“

Foto: Andreas Woitschützke

Der Countdown, der am Samstagmorgen langsam zu Ende tickte, läutete die finale Etappe im Kampf ums Rat- und Kreishaus sowie die Mehrheiten in Stadtrat und Kreistag ein. Ab 8 Uhr morgens durften an diesem 1. August in Neuss die Wahlplakate angebracht werden. Mindestens eine Stunde zuvor – manche sind da aber schon längst vor Ort – kamen die Helfer zusammen, packten Autos mit Wahlplakaten voll, starteten zu ihrer Tour quer durch Neuss. Es herrschte eine „The Final Countdown“-Stimmung – trotz des zeitigen Aufstehens und der Tatsache, dass sich manch einer erst mal mit einer Tasse Kaffee auf Betriebstemperatur bringen muss.

Die Botschaft ist klar: Der in diesem Jahr auch wegen der Corona-Pandemie so andere Wahlkampf, insbesondere der Straßen-Wahlkampf, geht in die Vollen.

CDU-Bürgermeisterkandidat Jan-Philipp Büchler schlägt mit seinen Plakaten in Neuss im Wahlkampf neue Wege ein. „Wir setzen auch auf Augmented Reality“, sagt er. Wer sich die App „Artivive“ – sie gibt es kostenfrei zum Download im Apple- und Google-Store – auf sein Smartphone herunterlädt und damit Büchlers Wahlplakate ab A0-Format scannt, sieht kurze Filme, in denen der Herausforderer von Amtsinhaber Reiner Breuer (SPD) sich vorstellt und seine Ziele skizziert. Die zentralen Themen, mit denen der CDU-Kandidat punkten will: Arbeit sichern, was auch angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie noch einmal befeuert wird, Schulen und Digitalisierung, Mobilität sowie Familie und Soziales. Zu diesen Themen äußert er sich auch in den kurzen, per App abrufbaren Filmen.

Loriot hilft bei Überdruss über Plakate-Wald in der Stadt

Bei den Wahlplakaten setzt die CDU auf eine Kombination aus gezeichneten Hintergründen und Porträt-Fotos von Büchler. Fünf Motive gibt es hierzu, zum Beispiel den Markt mit Blick auf das Rathaus. „Mit der Kombination aus Foto und Zeichnung wollen wir auch ein Signal setzen: Unser Ziel ist es, die Zukunft gemeinsam mit den Bürgern zu gestalten“, erklärt Büchler. Die Zeichnung steht für einen Entstehungsprozess, etwas, das nicht abgeschlossen ist, sondern entwickelt werden soll. Der Markt ist dabei ein Symbol dafür, Konzepte für eine auch in Zukunft attraktive Innenstadt auf den Weg zu bringen. Und das Rathaus ist der Ort, für den bei Jan-Philipp Büchler ein Satz gilt, den Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder einst für das Kanzleramt prägte: „Ich will da rein.“

Dazu muss Büchler aber Reiner Breuer (SPD) bei der Wahl besiegen. Und bei dem gilt fürs Rathaus, ebenfalls mit sinngemäßen Grüßen an Schröders berühmten Satz: Er will da nicht raus. „Bürgernah, modern, sozial“ – mit diesem Dreiklang will der Amtsinhaber die Neusser überzeugen, für ihn zu stimmen. Die Bildsprache auf den Plakaten zeigt ihn in Gesprächen mit Bürgern, das Motiv wird stets an das auf dem jeweiligen Plakat in den Vordergrund gerückte Thema angepasst, das dazu passende Schlagworte hervorgehoben. Breuer setzt dabei auf „moderne, frische Farben“. Betont werden soll zudem die „Überparteilichkeit meiner Arbeit“, sagt er. Insbesondere weil die Bürgermeisterwahl eben auch eine Personenwahl ist. Auf Augmented Reality oder QR-Codes auf den Plakaten wird verzichtet. Wie alle Parteien setzt die SPD aber natürlich auch auf Social Media, insbesondere Instagram, Facebook und Twitter. Die Partei strebt schließlich zwei Dinge an: Erstens die Wiederwahl und damit eine zweite Amtszeit Reiner Breuers und zweitens eine Gestaltungsmehrheit im Stadtrat.

Insgesamt sechs Herausforderer wollen dem Amtsinhaber bei der Wahl das Bürgermeister-Büro abjagen. Neben Büchler sind es Michael Klinkicht (Grüne), Michael Fielenbach (FDP), Roland Sperling (Die Linke), Thomas Lang (UWG/Freie Wähler) und Hans Carlo Dietz (Zentrum). Elf Parteien und Wählergruppen, darunter mit Volkmar Ortlepp auch ein Einzelbewerber, wurden für die Stadtratswahl zugelassen. Auch diese Kandidaten werben auf Plakaten für sich. Das bedeutet natürlich einen immensen Plakate-Wald.

Die ersten Kritiker lassen via Social Media schon Dampf ab. Aber bis zur Wahl sind es ja nur sechs Wochen, und wer von den Plakaten genervt ist, kann es vielleicht auch mit einer Prise Humor nehmen, frei nach Loriot: „Ich liebe Politiker auf Wahlplakaten. Sie sind tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“