Neuss: Abschied vom Stadtrat nach 53 Jahren

Nach 53 Jahren scheidet Heinz Günther Hüsch (CDU) aus dem Stadtrat aus.

Neuss. Er hat wie immer im dunklen Anzug mit Weste auf seinem Platz im Ratssaal gesessen, in der hinteren Reihe, wachsam. Und das Wort ergriffen, als es um die heikle Finanzentwicklung ging. Abwarten, bis die Verwaltung den Etatentwurf vorlegt, und erst im Dezember in die Diskussion einsteigen? Zu spät, meint Heinz Günther Hüsch und fordert: Jetzt muss Politik sich Gedanken machen.

Er selbst wird das wohl auch tun - in anderen Kreisen. Nach 53 Jahren im Stadtrat hat der Christdemokrat seine letzte Ratssitzung erlebt. Ohne Wehmut, wie er sagt. Der 80-Jährige ist zur Kommunalwahl nicht mehr angetreten. Amtsmüde sei er nicht, versichert er - glaubhaft. An Ämtern kleben aber mag er auch nicht, und mit 80, sagt er ein wenig kokettierend, werde es ja wohl auch Zeit.

Von vielen politischen Ämtern hat er sich schon vor Jahren zurückgezogen, an Einfluss hat er nicht verloren. Ob geachtet oder gefürchtet: An Heinz Günther Hüsch kam über Jahrzehnte in der Stadtpolitik so schnell niemand vorbei. "Schönwettersegeln kann jeder", erklärt Hüsch, und das klingt harmlos. Hüsch hat - mit Stil - hart gekämpft und sich nicht immer Freunde gemacht. In seiner Fraktion hat er in den letzten Jahren die Fäden von hinten gezogen. Nicht oft geredet, wenn aber, dann, wie es so schön heißt, "zielführend".

Der überzeugte Neusser hat lange Jahre auf der großen politischen Bühne mitgemischt. Landes- und Bundespolitiker, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Flick-Untersuchungsausschuss, Vorsitzender des Ausschusses im Skandal um die Neue Heimat, Verhandlungsführer des streng geheimen Freikaufs Deutschstämmiger in Rumänien. Doch nie hat er sein Ratsmandat aufgegeben, auch wenn die Belastung - er arbeitete auch noch als Anwalt - manchmal eine "partiell qualvolle Geschichte" gewesen sei.

Von den etwa 500 Ratssitzungen habe er vielleicht zwei oder drei versäumt, resümiert der 80-Jährige. Warum die Kommunalpolitik? Da ist die Stadt, seine Heimat. Und die Möglichkeit, "nah am Menschen zu sein".

Nie, so zieht der scheidende Ratspolitiker Bilanz, habe er sein Gewissen verbiegen müssen. Mal habe er in schwierigen Fragen gegen seine Fraktion gestimmt; so beim "Korea-Turm", dem nie verwirklichten Mega-Bürohaus am Hammfeld. Mal habe er eine für falsch gehaltene Entscheidung im Sinne der Fraktion mitgetragen - wie den Beschluss zur Stadtwerke-Fusion mit Krefeld, der dann doch scheiterte.

Eine Aufgabe, an der er sehr hängt, wird Heinz-Günther Hüsch zum Beginn nächsten Jahres abgeben: Für den Verwaltungsrat-Chefposten des Lukaskrankenhauses wünscht er sich Thomas Nickel als Nachfolger.

Altmeister, Elder Statesman, Urgestein hat man ihn genannt und ihm wohl alle in Neuss denkbaren Ehrungen verliehen. Deshalb gab es zur Ratssitzung nur noch einen Blumenstrauß für seine Frau. Nun hat er Zeit, diverse Buchprojekte zu Ende zu bringen. Und sein Büro in der Kanzlei offen zu halten: Da werde man, so hat es CDU-Fraktionschef Heinz Sahnen im Sommer formuliert, doch immer wieder gern anklopfen.