Neuss: Das Rätsel der „Burgunderlanze“

Archäologie: Mysteriöse „Streithämmer“ beschäftigen die Historiker.

Neuss. Die Funde sind alt, wie alt, ist nicht sicher. Es könnten Überreste von Waffen sein, aber fest steht das nicht. Entdeckt wurden sie auf dem Gelände, das dem Heer Karls des Kühnen vor den Toren der Stadt als Lagerplatz diente. Ob Soldaten de Relikte in den Jahren 1475/76 zurückließen, ist nicht gesichert.

So viele Fragezeichen gibt es um drei Fundstücke im Clemens-Sels-Museum, dass Carl Pause sie mit "die mysteriösen Streithämmer" umschreibt. Im Zuge der neu organisierten Mittelalter-Ausstellung macht er einen neuen Anlauf, das Rätsel zu lösen. Vielleicht, mutmaßt er, können ja interessierte Neusser helfen.

Gefunden wurden die Stücke im 19.Jahrhundert beim Lehmstechen auf einer Wiese zwischen Obertor und dem früheren Oberkloster, heute Kloster Immaculata. 1876 stellte der bekannte Neusser Archäologe Constantin Koenen erstmals die vier Funde aus Blei - ein Stück ist verloren gegangen - vor.

Am Fundort hatte in den Jahren 1474/75 Karl der Kühne während der Belagerung der Stadt sein Hauptquartier aufgeschlagen. Koenen hielt die Stücke für Streithämmer, Waffen der burgundischen Belagerer. Die "Hämmer" sind aus Blei gegossen und haben am unteren Ende eine Tülle, in der einst eine Holzstange steckte. Ein Bleistück ist geformt wie eine Lanzenspitze, allerdings nicht geschärft, die beiden anderen ähneln eher unförmigen (Werkzeug-) Hämmern. Ein Objekt zeigt an einer Seite ein mitgegossenes "X", an der anderen ein "C". Bedeutung: unbekannt.

Die Waffentheorie hält Carl Pause jedenfalls für nicht stichhaltig. Zu weich sind diese Hämmer-Köpfe, die "Lanze" etwa hätte niemals den Brustpanzer eines Soldaten durchstoßen können, die anderen Köpfe wären beim Einschlagen auf eine Rüstung zerborsten. Waffen dieser Art wurden aus Stahl geschmiedet. Auch kennt man keinerlei Waffen in dieser Form.

So beginnt das Rätselraten. Die hammer-ähnlichen Aufsätze jedenfalls waren auch zum Hämmern zu weich. Dienten sie dazu, andere Werkzeuge etwa für die Schifffahrt zu beschweren? Und dann die "Lanze": Zierte sie vielleicht ein Prachtzelt im Hauptquartier Karls des Kühnen? Doch selbst die Theorie, dass die Funde vom Belagerungsheer stammen, ist wacklig. Denn für diese Herkunft spricht lediglich der Fundort.

Könnte die ungeschliffene Spitze nicht auch einen Zaun des 19.Jahrhunderts geziert haben? Ausschließen mag Carl Pause das nicht. Obwohl aus seiner Sicht eines dagegene spricht: Constantin Koenen, zu seiner Zeit profunder Kenner der Archäologie, hätte sicherlich ein zeitgenössisches Schmuckstück nicht als Burgunderrelikt qualifiziert.

Vielleicht kann ein Neusser die Fundstücke einordnen? Carl Pause am Clemens-Sels-Museum freut sich über Zuspruch.