Neuss: Geheizt wird mit warmer Luft
Ingo Tintemann hat ein Haus entworfen, das selbst Strom erzeugt. Sogar ein Überschuss wird produziert.
Neuss. Passivhäuser gibt es viele, auch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach oder ein Blockheizkraftwerk im Keller sind keine Seltenheit. Aber alles zusammen? "Ich kenne zumindest in Neuss und der weiteren Umgebung kein vergleichbares Haus", sagt Ingo Tintemann.
Das Gebäude an der Föhrenstraße 16 in Rosellerheide, das der Architekt mit seinem Büro konzipiert hat, kann mit dieser Dreier-Kombination den Strom, den die Bewohner verbrauchen, komplett selbst produzieren. Damit nicht genug: Es fällt sogar ein Überschuss an.
Geschätzte 20.000 Kilowattstunden (kWh) an Strom benötigen die acht Wohnungen im Jahr, das Haus produziert im selben Zeitraum 32.000 kWh. 12.000 kWh werden in das öffentliche Netz eingespeist, die Vergütung kommt direkt den Eigentümern zugute. Ingo Tintemann rechnet nach fast einjährigem Betrieb mit 10.000 Euro.
"Da bleibt sogar noch was für das Elektroauto übrig", sagt der Neusser wohl wissend, dass noch keiner der Bewohner über so eine Errungenschaft der Automobilindustrie verfügt. Er selbst fährt übrigens einen 19 Jahre alten Mercedes, der auf den Betrieb mit Pflanzenöl umgerüstet wurde.
Damit wäre ein weiterer Faktor angeschnitten, der das auf den ersten Blick unscheinbare, aber eben autarke Haus in Rosellerheide einzigartig macht: Das Blockheizkraftwerk, das primär das Gebäude mit Wärme und heißem Brauchwasser versorgt, wird weder mit Gas noch mit Erdöl betrieben, sondern mit Rapsöl aus den Neusser Ölmühlen.
"Wenn irgendwann mal die letzte Ölquelle versiegt ist, wird es im Kreis Neuss immer noch Bauern geben, die Raps anbauen, aus dem der Kraftstoff dann erzeugt werden kann", lacht Tintemann.
Es versteht sich fast von selbst, dass das Objekt über alle Vorzüge eines Passivhauses verfügt: eine breite, nach Süden ausgerichtete Fensterfront, massive Wärmedämmung in den luftundurchlässigen Wänden und unter dem Dach, alle Wohnungen sind mit eigener Lüftungsanlage ausgestattet, über die der Wärmezufluss geregelt werden kann. Denn: "Geheizt wird hier mit warmer Luft", so der Architekt.
Eigentlich wollte sich der 68-Jährige längst zur Ruhe setzen, doch die Pionierarbeit lässt ihn irgendwie nicht los. "Ich habe schon vor 30 Jahren ein Niedrigenergiehaus gebaut, da war der erste große Ölschock noch nicht verdaut."
Mit einem vergleichbaren Wohnprojekt an der Buchenstraße, nur eine Ecke weiter, hat Tintemann bereits Preise auf Landesebene eingeheimst. Insgeheim hofft er darauf, mit der Föhrenstraße einen vergleichbaren Erfolg zu landen.
Dass die neuen Eigentümer alles ähnliche "Freaks" seien wie er selbst, kann Tintemann nur verneinen. "Die können alle einfach nur gut rechnen."