Neuss: Wenn in der Stadt die Blase drückt

Versuch: Wie schwierig ist es, in Neuss eine öffentliche Toilette zu finden? Und sind die WCs überhaupt benutzbar? Ein Test.

Neuss. 14 Uhr, Ankunft Neuss Hauptbahnhof. Die Blase drückt. Wo ist die nächste Toilette? Der Ortsunkundige irrt durch das Bahnhofsgebäude. Am Fahrkartenschalter gibt es bestimmt Auskunft. Doch da herrscht Hochbetrieb. Acht Männer und Frauen warten dort, treten von einem Bein auf’s andere. Sie scheinen keine Zeit zu haben. Der Suchende auch nicht. Er muss mal. Also weiter.

In der Bahnhofskneipe "Drehscheibe" könnte jemand Bescheid wissen. "Wo ist denn die nächste öffentliche Toilette?", fragt er die Dame hinter dem Tresen. "Bei uns", antwortet sie. "Für Nichtgäste 0,30 Euro" steht auf einem Schild an der WC-Tür. Dahinter befinden sich zwei saubere Toiletten. Ein schneller Erfolg. Die Bahn hat ihre Toiletten am Bahnhof zwar aufgegeben - immerhin hat der Kneipeninhaber diese Marktlücke entdeckt.

Dennoch fängt der Versuch gerade erst an. Entlang der Krefelder Straße geht es weiter in Richtung Süden. An der Bahnhaltestelle "Hauptbahnhof" steht eine junge Frau. "Eine Station weiter gibt es ein Klo. Ein silbernes Häuschen", sagt sie. An der Haltestelle "Schwannstraße" angekommen hat der Suchende aber noch immer keins gefunden. Vielleicht weiß bei Blumen Risse jemand Bescheid. "Tja, wo ist die nächste Toilette?", fragt Blumenhändlerin Sonja Frensch ihre Kolleginnen. "Am Bahnhof? An der Stadthalle? Die Leute fragen uns eher, ob sie unsere benutzen dürfen", sagt sie. Hat sich die Dame am Bahnhof geirrt?

An der Kreuzung zum Hamtorwall schweift der Blick nach rechts. Da steht ein silbernes Häuschen. Das muss die Frau gemeint haben. 0,20 Euro in den Schlitz neben der Tür geworfen, schon kann sie aufgezogen werden. Ein fieser Geruch strömt heraus. Die Decke ist mit Graffiti beschmiert, der Rest sieht sauber aus. Die Toilette ist aus Metall, daneben ein Haltegriff für Menschen mit Behinderung, ein Waschbecken. Toilettenpapier ist da, die Spülung funktioniert.

Nur das Händewaschen ist nicht so einfach. Drei Symbole auf einer Vorrichtung über dem Becken sollen verraten, wie’s geht. Wird die Hand vor den Sensor "Seife" gehalten, passiert aber nichts. Doch mit ein bisschen Geduld kommt Wasser aus dem Hahn. Auch der Handföhn funktioniert.

"Diese Toilette und eine identische an der Promenadenstraße werden durch Werbung finanziert", erklärt Ralph Dymek vom Stadtmarketing.

Es geht weiter auf die Friedrichstraße. Auf der Suche nach dem nächsten WC fragt der Suchende eine Spaziergängerin: Renate Märk, eine grauhaarige Dame, die in der Nähe wohnt. "Im Park gibt es Toiletten", sagt sie. Beim Weg entlang des Nordkanals erscheint plötzlich ein heruntergekommenes Haus. Zwei Türen stehen offen, dort gibt es drei Toiletten.

Es stinkt. Kein Toilettenpapier. Wände, Spülkasten, Türrahmen - alles ist beschmiert. Die Spülung funktioniert. Aber in der Toilette weisen Reste noch auf den letzten Besucher hin. "Die Toiletten werden noch gereinigt, aber wohl kaum noch genutzt", sagt Ralph Dymek. Immerhin gibt es fließend Wasser. Aber Seife: Fehlanzeige. Und nachdem der Ortsunkundige den Wasserhahn angefasst hat, verspürt er plötzlich einen ganz anderen Drang: Händewaschen. So schnell wie möglich.

Das Fazit: Die Innenstadt ist ganz gut mit Toiletten ausgestattet - ihre Standorte sind aber vielen nicht bekannt. Und wem die Blase drückt, der sollte ein paar Cent in der Tasche haben, möchte er ein sauberes WC nutzen.