Neuss: Stehende Ovationen für den poetischen Opa aus Holland

Auftritt: Vor ausverkauftem Haus gab Hermann van Veen am Samstag im Rheinischen Landestheater ein etwas anderes Gastspiel.

Neuss. Seine Geige hatte er wie so oft in einem Kontrabass untergebracht, holte sie zu Beginn des Konzertes hinter einer Holzklappe hervor. Ansonsten war Herman van Veens Konzert im Rheinischen Landestheater am Samstag nicht so wie andere seiner Gastspiele.

Auf eine komplette Band, sogar auf seinen Freund und Pianisten Eric van der Wulff, verzichtete der Holländer, bestritt allein mit der Gitarristin Edith Leerkes den etwa zweistündigen Abend mit dem Titel "Unter 4 Augen" vor ausverkauftem Haus.

Natürlich gab er nicht nur den Sänger und Fiedler, sondern auch den tragikomischen Clown. Mal zerrte er die Seitenteile seiner Unterhose hervor bis sie ihm fast bis zu den Rippenbögen reichten, machte dabei ein sehr aussagekräftiges Gesicht. Dann wieder telefonierte er mit einem imaginären "Jonny", der angeblich auch auf der Bühne weilte. Tatsächlich entdeckte van Veen aber dann ein Fläschchen Scotch unter seinem Tisch und kam nach einem kurzen Solo seiner Gitarristin scheinbar erheblich angetrunken wieder zum Vorschein. "Als ich las, wie schädlich Alkohol ist, habe ich sofort aufgehört, zu lesen", zitierte van Veen einen Zeitgenossen. Die feine Ironie hat der 62-Jährige also nicht verlernt.

Weniger düster als in den vergangenen Jahren klang sein Programm. Vielleicht hat der Umstand, dass der poetische Holländer inzwischen Opa geworden ist, seinen Blickwinkel verändert. Es ging mehr um Familie als um Apokalypse. "Vielleicht ist Gott in meinem Enkel, weil dieses Kind so sehr willkommen ist."

Auch von seinen eigenen Eltern erzählte er viel. Dabei klang bittersüße Nostalgie an. Ältere van Veen-Fans mögen sich noch an sein Lied "Anne" erinnern. Darin besang er seine kleine Tochter, ein Baby. Inzwischen ist Anne 24 Jahre alt und hat ihrem Vater ein Liebeslied komponiert, das er herzergreifend vortrug. Sein bekanntestes Stück "Ich hab ein zärtliches Gefühl" spielte er nur ein paar Takte an, um dann zu berichten: "Das war 1970. Da konnte ich es noch nicht auf meinem Schädel schneien hören."

Insgesamt bewies Herman van Veen, dass es möglich ist, von Liebe zu singen, ohne kitschig zu wirken. Vielleicht liegt es daran, dass dieser Ausländer so zärtlich und zugleich skurril mit deutschen Wörtern umgehen kann: "Ich will dich lieben, bis der Rhein durch London rauscht."

Am Ende des Konzertes zupfte van Veen eine Rose auseinander und streute die roten Blütenblätter über Edith Leerkes. Das letzte Blättchen klebte er sich auf seine Nase. Das Neusser Publikum dankte ihm mit stehendem Applaus.