Patient ist eine DIN-A3-Karte
Dynamische Patientensimulation: Feuerwehr und Rettungskräfte üben in der Wetthalle für den Ernstfall.
Neuss. Besorgniserregend viele Rettungswagen der Feuerwehr, des Deutschen Roten Kreuzes, der Johanniter-Unfallhilfe und des Malteser Hilfsdienstes parken vor der Wetthalle am Rennbahnpark. An den Ausgängen stehen Sanitäter und hantieren mit Gerätschaften. Drinnen ist es zappenduster, zudem herrscht ohrenbetäubender Lärm. Hilfeschreie sind zu hören, Helfer rufen sich kurze Anweisungen zu, aus der Entfernung hört man einen Hubschrauber. Was ist passiert?
Zum Glück handelt es sich am Samstagvormittag nur um eine Übung. 64 Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Hilfsorganisationen trainieren eine Rettungsaktion.
Das Szenario: In der Wetthalle, gefüllt mit 980 Feiernden, fällt während einer Veranstaltung eine Traverse mit Boxen von der Decke. Sie begräbt drei Personen unter sich, weitere 50 werden verletzt. Neben den Toten gibt es Menschen mit Platzwunden, Quetschungen, Bein- und Armbrüchen.
Doch anders als bisher im Rhein-Kreis Neuss nehmen an der Übung keine Komparsen teil, die verschiedene Verletzungen simulieren. „Es war immer schwierig, Komparsen zu bekommen, die sich dann auch an die entsprechenden Vorgaben halten“, sagt Tim Gladis (28), Einsatzleiter der Malteser.
Stattdessen wurde bereits vor zwei Jahren die „Dynamische Patientensimulation“ erarbeitet. Die Patienten werden dabei durch laminierte DIN-A3-Karten dargestellt. Sie gliedern sich in fünf Phasen, die jeweils 15 bis 20 Minuten dauern. Je nachdem, welche Maßnahme die Übungsteilnehmer am Patienten durchführen oder unterlassen, ändert sich der Zustand des Patienten. Er kann sich verschlechtern, gleichbleiben oder auch verbessern. Jeder der Helfer ist mit zwei Zeitmessern ausgestattet, denn er stellt in der Übung gleich zwei Rettungskräfte dar.
Bei einem Massenunfall sei es vor allem wichtig, dass die Rettungskräfte zügig die Lage erfassen, die Verletzten sichten, lebenserhaltende Sofortmaßnahmen einleiten und dazu unter Zeitdruck Entscheidungen treffen, sagt Fachmann Gladis, der auch Gast-Dozent an der Akademie Krisenintervention, Notfallplanung und Zivilschutz in Ahrweiler ist.
Anfangs ist es für die Rettungskräfte noch ungewohnt, mit den Patientenblättern zu hantieren. Aber sie merken schnell, dass hier Tempo angesagt ist. Wenn nicht richtig gehandelt wird, zeigen die Patientenblätter sofort die Konsequenz: Der Zustand des Patienten hat sich verschlechtert.
Neu bei der Übung ist auch, dass nicht ein zentraler Behandlungsplatz eingerichtet wurde, denn das kostet im Endeffekt zu viel wertvolle Zeit, sondern an drei verschiedenen Sammelpunkten (einer im Inneren der Halle, zwei an den beiden Türen) behandelt wird.
Während die Patientensimulation in Hessen und Bayern schon fester Bestandteil der Übungsmaßnahmen ist, kommt sie im Kreis zum ersten Mal zum Einsatz — und mit Erfolg: „Erfreulicherweise sind keine Toten mehr hinzugekommen“, verkündet Gladis nach Abschluss der Übung.
Dafür konnten einige Problemfelder aufgedeckt werden. So hatten die einzelnen Hilfskräfte zwar „ihre“ jeweiligen Patienten gut unter Kontrolle, aber keinen richtigen Überblick über die übrigen Verletzten. „Die Teilnehmer haben die Übung mit einem enormen Erkenntnisgewinn abgeschlossen“, freut sich Gladis.