Polizei verbietet Schützen das Wecken
Weil es Beschwerden gab, musste das Tambourkorps sein traditionelles Wecken einstellen. Im Nachhinein bedauert die Polizei das Verbot und spricht von einem Fehler.
Orken. Das musikalische Wecken ab 5 Uhr hat Tradition am Schützenfest-Sonntag in Orken. Bereits seit Jahrzehnten ziehen Mitglieder des 1898 gegründeten Tambourcorps durchs Dorf, um müde Schützen mit flotten Märschen aus dem Bett zu trommeln. Gestern hat die Polizei dieses Brauchtum erstmals untersagt. Weil es Beschwerden über Ruhestörung gab, mussten die Spielleute ihre Instrumente wieder einpacken. „Ein Unding“, wettert Tambourmajor Ronald Bronneberg: „So werden Traditionen in unseren Dörfern kaputt gemacht.“
Ronald Bronneberg, Tambourmajor
Die Musiker hatten sich — wie in jedem Jahr — kurz nach 5 Uhr mit ihren Trommeln und Flöten am „Jägerhof“ postiert, um der ehemaligen Schützenmajestät Ralf Königs ein Ständchen zu bringen, als sich ein Streifenwagen mit Blaulicht näherte. „Wir haben noch Platz gemacht, um das Auto durchzulassen“, sagt Bronneberg. Denn „nie im Leben“ hätte der Tambourmajor damit gerechnet, dass sein Corps der Grund für einen Polizeieinsatz sein könnte.
Nachdem ihnen das musikalische Wecken für diesen Tag von zwei Streifenbeamten verboten wurde, machten die Spielleute im sozialen Netzwerk „Facebook“ ihrem Ärger Luft — und riefen ein beachtliches Echo hervor. Innerhalb weniger Stunden wurde der Beitrag mehr als 140 Mal geteilt und X-mal kommentiert. Überwiegend schlug sich das Netz auf die Seite des Tambourkorps. „Mein Gott, das nennt man Brauchtum. Et is Kirmes em Dörp“, schrieb eine Facebook-Nutzerin. Andere empfahlen den in ihrer Ruhe gestörten Anwohnern den Einsatz von Ohropax oder den Umzug in abgelegene Regionen.
Der Polizei schien der morgendliche Einsatz und das damit ausgesprochene Weck-Verbot etwas peinlich zu sein. Zwar ist im Landesimmissionsschutzgesetz NRW eine Nachtruhe bis 6 Uhr verankert — doch die Stadtverwaltung hatte dem Bürgerschützenverein Orken eine Ausnahme erteilt, indem sie den sogenannten „Regimentsbefehl“ genehmigte. Darin ist nicht nur die Verkehrsführung während der Festumzüge geregelt, sondern auch das sonntägliche Wecken ab 5 Uhr. „Offensichtlich war diese Ausnahme den Beamten nicht bekannt, was wir bedauern“, sagt Polizeisprecherin Diane Drawe. Ihr Fazit: „Die Untersagung des Weckens war nicht rechtmäßig.“
Wer die Ordnungshüter auf den Plan gerufen hat, sagt die Polizistin selbstverständlich nicht — nur so viel: „Kurz nach 5 Uhr hatte ein Anwohner gemeldet, dass Jugendliche auf der Düsseldorfer Straße mit Instrumenten spielen würden. Unsere Beamten waren daher um 5.08 Uhr vor Ort.“
Das Weck-Verbot war das Gesprächsthema Nummer eins beim Frühschoppen im Festzelt. „Für die Beschwerde der Anwohner haben wir nicht viel Verständnis. Damit werden Traditionen unterlaufen“, sagte der Orkener Vizepräsident Roland Knapp. Robert Hoppe, Bezirksbundesmeister der historischen Schützenbruderschaften, sagte: „Das ist unfassbar. Es bestätigt den gesellschaftlichen Stellenwert, den unsere Schützenfeste heute leider haben.“ Das Thema wolle er gerne in der nächsten Elfefantenrunde der Schützenpräsidenten erörtern.
Das Tambourcorps machte aus der Not eine Tugend: Statt des gespielten, gab es ein gesungenes Ständchen — über das sich keiner beschwert hat.