Wo ist der römische Wehrhahn-Schatz?
Beim Bau der Werhahn-Villa im Jahr 1907 wurden Funde aus der Römerzeit gemacht. Jetzt, vor dem Abriss für moderne Neubauten, sind sie verschwunden.
Neuss. Eine letzte Spurensuche endet zwischen zwei Buchdeckeln. Wer sehen will, was vor Jahrzehnten bei Grabungen auf dem Grundstück der Werhahn-Villa an der Elisenstraße gefunden und seitdem im Familienbesitz gehütet worden war, muss den 1977 erschienenen Band 17 der Reihe „Limesforschungen“ zur Hand nehmen. Denn die eigens für die Zurschaustellung dieser Stücke gebaute Vitrine in der Villa ist leer, ihr Inhalt verschwunden. Und über den Verbleib der Stücke gibt es mindestens so viele Mutmaßungen, wie das Haus Besitzer hatte.
Uwe Steinkrüger vom Amt für Bodendenkmalpflege
Um es vorweg zu sagen: Der Fall wird nie die Polizei beschäftigen. Sowohl das alte Denkmalschutzgesetz, das sich auf das preußische Ausgrabungsgesetz bezog, als auch seine 2013 erfolgte Neufassung, mit der das sogenannte Schatzregal bindend wurde, lassen diesen Fund außen vor. „Das Schatzregal geht von unbekannten Funden aus“, erklärt Uwe Steinkrüger vom Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland. Funde, von denen niemand weiß, sind qua Gesetz herrenlos. Solch herrenlose Dinge teilten sich vor 2013 Finder und Grundstücksbesitzer je zur Hälfte. Heute gilt das Schatzregal. Das bedeutet, so Steinkrüger: „Funde werden automatisch Staatseigentum, wenn sie wissenschaftlich wichtig sind.“ Anders liegt der Fall, wenn die Funde schon in Eigentum übergegangen sind.
Als Cornelius Werhahn 1907 an der Elisenstraße bauen wollte, wusste er nichts von dem römischen Gräberfeld auf seinem Grundstück. Dieses schloss sich nördlich an die römische Zivilsiedlung an. Teile davon konnte die Stadtarchäologin Sabine Sauer erst vor wenigen Jahren auf dem Areal der ehemaligen Münsterschule sichern. Zu den Funden beim Bau des Hauses kamen etliche Stücke, die im Oktober 1960 bei einer Sicherungsgrabung zutage gefördert wurden. Die nahm das Kirchenreferat des Rheinischen Landesmuseums Bonn im Garten der Villa vor. Elf Grabstellen wurden identifiziert, etliche Grabbeigaben gefunden.
Die Stücke, die im Besitz der geschichtsbewussten Familie blieben, wurden in einer Vitrine ausgestellt, die Gästen des Hauses immer gleich auffiel. Aber irgendwann verkaufte die Erbengemeinschaft das Haus, von dem schon einige Nebengebäude abgebrochen wurden und das bald ganz abgerissen wird, um Platz für moderne Neubauten mit insgesamt 33 Wohnungen zu machen. Seitdem verliert sich die Spur der Werhahn-Stücke.
Bauherr ist jetzt die TRD & Dresßler Projekte GmbH. Deren Geschäftsführer Gert Hessert betont: „Bei Übernahme war die Vitrine nicht gefüllt. Ich habe die Stücke nie gesehen.“ Sein Unternehmen habe das Haus von dem Mönchengladbacher Architekten Hans-Joachim Schoor erworben, der wiederum hatte die Villa von der Erbengemeinschaft Werhahn gekauft. Auf Anfrage erklärt eine Mitarbeiterin des Architekten: „Den größten Teil hat die Stadt bekommen, ein Teil die Familie Werhahn, ein Teil wir.“ Für Klarheit sorgt die Auskunft nicht. Archäologin Sauer und Carl Pause vom Clemens-Sels-Museum bestreiten, dass sie Stücke aus diesen Grabungen bekommen haben. Pause: „Ich kenne die Funde nur als Papierzeichnung.“ Und auch Michael Werhahn betont namens der Erben, kein Stück erhalten zu haben. „Als wir die Schlüssel zum Haus übergeben haben, waren die noch da“, sagt er. Man habe sich das Recht ausbedungen, diese Relikte später holen zu dürfen — doch da war es zu spät. Werhahn: „Die Pötte sind weg.“ Das ärgert nicht nur ihn.