Neuss. Das Thema ist nicht neu, doch gerät es erst seit Monaten mit immer mehr Details an die Öffentlichkeit. Die Verfolgung der christlichen Minderheit im Irak, die schon zu Zeiten Saddam Husseins zu leiden hatte, nimmt extreme Züge an.
"Es ist der religiöse Fundamentalismus, nicht staatliche Verfolgung, der sich dort täglich manifestiert", sagt Hermann Gröhe, Neusser Bundestagsabgeordneter und Mitglied der Rates der EKD (Evangelische Kirche Deutschlands).
Mit Othmar Oehring von der Fachstelle Menschenrechte bei missio (Aachen) sowie Mitgliedern eine betroffenen Flüchtlingsfamilie aus Neuss wird er am 18.August in Neuss über das Thema sprechen. Dazu lädt die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Neuss ein.
Christen im Irak würden "in dramatischer Weise Opfer", sagt Gröhe, der dabei ausdrücklich auch auf die Verfolgung anderer religiöser Minderheiten wie der Yesiden oder Mandäer verweist.
Seit Jahren prangert auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) diese Entwicklung an, erstellt seit 2004 ein Protokoll der ihr bekannt gewordenen Fälle.
"Angehörige der christlichen Minderheit, der Assyro-Chaldäer, sind im mittleren und südlichen Irak nirgendwo mehr sicher", so die renommierte Gesellschaft im Juni.
Die GfbV spricht von "systematischem Terror". Christen würden verschleppt, gequält, ermordet. Die Zahlen schwanken, doch seien schon jetzt drei Viertel der früher etwa 650000 Christen vertrieben.
Etwa 30000 Menschen haben Zuflucht in der relativ sicheren Kurdenregion im Norden gefunden, Hunderttausende sind nach Jordanien, vor allem aber nach Syrien geflüchtet. In einer Region mit 2000-jähriger christlicher Geschichte, in der die Kirchensprache teils noch das Aramäische ist, scheint das Christentum zu verschwinden.
Christen stünden im Irak "unter Generalverdacht", so Gröhe. Sie gelten nach seiner Information ihres Glaubens wegen als "Agenten der Besatzer" - und sind ohne Schutz eigener Stammesstrukturen oder Milizen, die es nicht gibt, oder des Staates.
Nun ist in der EU eine bizarre Diskussion entstanden. Soll man, wie zunächst von Innenminister Wolfgang Schäuble vorgeschlagen, den verfolgten Christen "bevorzugt helfen", etwa über eine Kontingentregelung? Oder ist gerade das unchristlich?
Hermann Gröhe mag sich auf eine solche Diskussion nicht einlassen. Es müsse ein abgestimmtes Programm geben, sagt der Bundespolitiker und verfolgt einen Weg, wie ihn auch die Gesellschaft für bedrohte Völker vorschlägt: Hilfe benötigen die Flüchtlinge im Norden, wo die halbautonome kurdische Regierung kaum noch des - nicht nur christlichen - Flüchtlingsproblems Herr wird.
Hilfe muss in Jordanien und Syrien geleistet werden, wo es, so die Sprecherin der GfbV, zunehmend zu "erschreckenden Zuständen" komme. Schließlich sollte es aber auch das Angebot geben, Flüchtlinge hier aufzunehmen, sagt Hermann Gröhe.
"Sie werden des Glaubens wegen verfolgt, der unser Land prägt. Man darf sich nicht scheuen, das auch zu sagen." Und schließlich sei es wohl kein Privileg, besonders verfolgt zu sein.