Was mit dem Holzmodell passierte
Vom Schützenglockenspiel gab es ein Modell. Von manchen Figuren weiß man, wo sie sind. Andere sind verschwunden.
Neuss. Als der Neusser Bürgerschützenverein 1973 sein 150-jähriges Bestehen feierte, wollte auch die Stadt Neuss mit einem Geburtstagsgeschenk aufwarten. Die Idee des Schützenglockenspiels, das heute drei Mal täglich über dem Münsterplatz erklingt, war geboren. Der damalige Oberbürgermeister Herbert Karrenberg präsentierte damals am Schützenfestmontag im Festzelt ein Modell. Es war aus Holz, 2,50 Meter groß und zeigte die Fassade des Vogthauses. Oben grüßten zehn Zentimeter große Figuren auf einem Kuchenteller. Im Großen und Ganzen war alles schon so, wie heute über dem Münsterplatz.
Erst am 17. August 1973 bestätigte der Stadtrat die Dringlichkeitsentscheidung vom 8. August über Genehmigung von 15 000 Mark für die Erstellung des Modells. Am Schützenfestmontag versprach Karrenberg dann die Umsetzung. Vom Rat beschlossen wurden die 250 000 Mark für das Glockenspiel allerdings erst in der Ratssitzung im Juli 1974. Das Glockenspiel blieb im Besitz der Stadt, die für die Räumlichkeiten einen Mietvertrag über 50 Mark im Jahr abschloss. Am 29. August 1975 wurde das Glockenspiel eingeweiht — am Ende wurde es 50 000 Mark teurer als geplant.
Das Modell jedoch geriet in Vergessenheit. Bis das Schützenglockenspiel 2015 defekt stehen blieb. Am Rande der Wiedereröffnungs-Feier brachte Stadtführer Rolf Lüpertz das Modell zur Sprache: „Wir wären sehr glücklich, wenn der Besitzer sich bei uns melden würde“, sagte er. Der Aufruf hatte Erfolg. Einige Anrufer hatten Ideen. Manches habe sich im Nachhinein als falsch herausgestellt — bis ein Anrufer sich als Besitzer zu erkennen gab und die richtige Geschichte erzählte.
Rolf Lüpertz, Stadtführer
Nach der Abstimmung im Rat wurde das Modell demontiert. Die Vogthaus-Fassade war mit 2,50 Metern einfach zu groß. Die Figuren blieben allerdings erhalten. „Die 27 Holz-Schützen wurden dann im Rathaus von Amt zu Amt geschoben“, sagt Lüpertz. So richtig willkommen waren die Figuren nirgends. Allerdings verschwanden dann die beiden Pferde, später weitere Figuren. Elf blieben übrig. Und die nahm ein Neusser irgendwann einfach mit nach Hause. Dort stehen sie bis heute an einem ganz besonderen Platz. Wer die Figuren hat, will Lüpertz nicht verraten. Das sei so vereinbart. „Nur so viel: Es ist ein populärer Neusser, den ich am Telefon sofort an der Stimme erkannt habe“, sagt Lüpertz. „Ich denke, dass er sie nicht weitervererben will, sondern sie irgendwann wieder auftauchen“, hofft er. Damit es dann eine Zusammenführung der Figuren gibt, fehlen allerdings noch die restlichen 16 Figuren.
Auch Britta Spies, Direktorin des Rheinischen Schützenmuseums interessiert sich für die Figuren. „Ich habe schon länger die Idee, eine kleine Studioausstellung zum Schützenglockenspiel zu machen“, sagt sie, „vielleicht ist es ja möglich, das Modell unter Wahrung der Anonymität bei uns im Museum auszustellen“, schlägt Spies vor.
Die hohe Spendensumme zur Renovierung und der enorme Andrang bei der Wiedereröffnung habe gezeigt, dass das Glockenspiel „im Herzen der Neusser verankert ist“.