Whitesell-Gelände: Ideen für die Nutzung unterschiedlich
Bürgermeister möchte auf dem Grundstück Flüchtlinge unterbringen. Die CDU ist skeptisch.
Neuss. Am 30. November wird in der Schraubenfabrik Whitesell am Hauptbahnhof die letzte Schicht gefahren. Was aus der innenstadtnahen Liegenschaft wird, ist offen. Während Bürgermeister Reiner Breuer für einen Ankauf wirbt, um im Verwaltungsgebäude der leeren Fabrik eine kommunale Erstaufnahmeeinrichtung für mindestens 300 Flüchtlinge zu schaffen, scheut die Koalition von CDU und Grünen vor einem Kauf wegen der ungeklärten Altlastenproblematik zurück. Doch vom Tisch ist das Thema nicht, wie die Tatsache beweist, dass die CDU in ihrer Haushaltsklausurtagung am Wochenende auch Whitesell auf der Tagesordnung hatte.
„Wir haben viele Fragen an die Verwaltung“, erklärt die CDU-Fraktionsvorsitzende Helga Koenemann. Zuvorderst diese: Warum? „In einer seiner letzten Ratssitzungen hat Bürgermeister Herbert Napp uns noch erklärt, warum die Stadt nicht kaufen darf“, erinnert Koenemann an die stets betonte Grundhaltung der Stadt: Kein Kauf, damit der US-Investor Whitesell für seine ruinöse Unternehmenspolitik nicht noch mit Millionengewinn aus dem Grundstücksgeschäft belohnt wird. „Man kann auch nicht alles mit der Flüchtlingsfrage begründen“, sagt Koenemann in die Richtung des Bürgermeisters.
Breuer dagegen ist überzeugt, den Blick nach vorne richten zu müssen. Die Werksschließung sei beschlossene Sache, nun müsse auch aus Gründen der Stadtentwicklung verhandelt werden.
Helga Koenemann, CDU-Fraktionsvorsitzende
Doch zu welchem Preis? Michael Klinkicht (Grüne) ist der Ansicht, dass das Grundstück nicht mehr als einen Euro kosten darf. Die ursprüngliche Kaufpreisforderung konnte in ersten Gesprächen von 5 auf 3,5 Millionen Euro gedrückt werden, doch diesem Preis hält er die nicht zu beziffernden Kosten für einen etwaigen Abriss der Fabrik und die Sanierung von Altlasten entgegen. Wohl gemerkt, nur für den zuletzt noch genutzten Werksteil. Die aufgegebenen Flächen östlich des Weißenberger Weges sind noch in der Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters aus einem früheren Verfahren.
Die Altlastenbelastung ist in der Tat Fakt. Norbert Clever vom Kreisumweltamt weiß von einer Verunreinigung des Erdreiches mit chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW), über deren Ursache und Ausdehnung er aber nichts sagen kann. „Das sind Vorgänge von vorvorgestern“, sagt er. Diese Grundwasserverunreinigung sei in den 1990er Jahren saniert worden, seitdem werde die Altablagerung überwacht. Einen Handlungsbedarf sehe der Kreis derzeit nicht.
Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Arno Jansen ist dieses Problem nachrangig. Wird die Liegenschaft zehn Jahre als Flüchtlingsunterkunft genutzt, wofür der Zustand der altlastenfreien Verwaltungsgebäude und die Ausstattung sprächen, hat sich der Kaufpreis schon amortisiert, weil die Stadt andererseits keine Gebäude als Flüchtlingsunterkunft anmieten muss. „Das wäre die Ein-Euro-Lösung“, sagt Jansen — und sinnvoll, selbst wenn im schlimmsten Fall wegen der Altlasten nur ein Parkplatz möglich sein sollte. Die Linksfraktion, die mit der SPD für Kaufverhandlungen war, sieht das genauso und versteht vor allem die Bedenken der Grünen nicht. „Wenn Turnhallen belegt werden müssen, weil es keinen anderen Platz mehr gibt, können sich die Flüchtlinge, Schüler und Sportler bei den Grünen bedanken“, sagt Fraktionschef Roland Sperling.