Der Strom kommt vom Berg

Die 72 Meter hohe Windkraftanlage soll Ende Oktober fertig gestellt werden.

Sprockhövel. Wer Richtung Winterberg blickt, der kann den schmalen Turm, der sich deutlich über Sprockhövels höchste Erhebung reckt, nicht übersehen. Auch wenn die Flügel für die Windkraftanlage von Landwirt Heinrich Reuter wohl erst Ende Oktober geliefert werden, hat Sprockhövel schon jetzt eine neue Landmarke. Genau 72 Meter ist der Mast hoch, der einen stabilen Betonkern hat und künftig die mächtigen Rotoren - Nabenhöhe 98 Meter, Durchmesser 71 Meter - tragen sollen.

Rund zwei Wochen hat der Aufbau gedauert, acht Wochen die vorbereitenden Arbeiten inklusive Anlage der Baustraße und Gießen des 600 Tonnen schweren Fundamentes. Eine logistische Meisterleistung, die für Bauleiter Rainer Schlenkermann und die sieben Männer seines Trupps allerdings schon Routine ist.

Insgesamt 20 Segmente - jedes vier Meter hoch - wurden mit dem Tieflader aus Betonwerken in Emden und Magdeburg angeliefert und übereinander gestapelt. Das unterste Segment besteht aus zwei jeweils 50 Tonnen schweren Halbschalen - der Gesamtdurchmesser beträgt sieben Meter. Bis oben verjüngt sich der Turm auf etwa zweieinhalb Meter. "Normalerweise dauert es eine gute halbe Stunde, ein Segment in Position zu bringen", sagt Schlenkermann, für den der Winterberg in den vergangenen Wochen zur vorübergehenden Heimat geworden ist. Gestern zog die Crew ab, und auch der Kran wird erst einmal abgebaut.

Am Dienstag hatten die Arbeiten ruhen müssen, weil auf dem Winterberg Windgeschwindigkeiten von 17 bis 20 Meter gemessen wurden. "Gerade das hohe Windaufkommen macht den Winterberg ja als einen der wenigen Standorte in Sprockhövel lohnend für eine solche Anlage”, sagt Bauherr Heinrich Reuter. 2,3 Millionen Euro hat er in die Anlage investiert, die mit einer theoretischen Jahresleistung 4,5 Millionen Kilowattstunden rund 1500 Haushalte mit umweltfreundlichem Strom versorgen könnte und sich nach etwa 15 Jahren amortisieren soll.

Erst bei Starkwind von mehr als 30 Metern pro Sekunde (gut 100 Stundenkilometer) würde sich die Anlage übrigens später komplett abschalten, vorher würden die Rotoren schrittweise aus dem Wind drehen. "Man darf eben nicht nur über die Umwelt reden, sondern muss auch etwas dafür tun”, verteidigt Reuter seine bei den direkten Anwohnern nicht unumstrittene Anlage. Es gibt Klagen gegen die Baugenehmigung, die zu Auflagen für den Betrieb der Anlage - was etwa Lärm - betrifft, führten.

Weil die Rotoren und das Transformatorenhaus, das noch auf den Mast aufgesetzt wird, von Enercon nur auf direkte Anforderung gebaut wird, ruht die Baustelle nun bis vermutlich Ende Oktober. Bis dahin soll auch die unterirdische Verbindung zur Übergabestation an der Nockenbergstraße fertig sein, wo der Strom künftig ins Netz der AVU eingespeist werden wird.

Regenerative Energien Rund 10,5 Millionen Kilowattstunden Strom aus regenerativen Energiequellen im Ennepe-Ruhr-Kreis wurden im Jahr 2006 in das Netz des regionalen Versorgers AVU eingespeist. Das umfasst Wasserkraft, Bio- und Deponiegas, Windkraft und Solarthermie. Mit 4,5 Millionen Kilowattstunden Jahresleistung wird die Windkraftanlage von Heinrich Reuter diese Menge künftig deutlich vergrößern. 14 Prozent der von der AVU verkauften Strommenge wird derzeit regenerativ erzeugt, ein Teil davon von außen zugekauft.

Grünstrom Weniger erfolgreich ist noch das Grünstrommodell der AVU. Trotz großer Werbeanstrengungen haben sich bisher nur 200 von insgesamt rund 100 000 Kunden dafür entschieden. Mit einem Preisaufschlag von einem Cent pro Kilowattstunde förden Kunden damit den Aufbau von regenerativen Anlagen im AVU-Netzgebiet, etwa auf Kindergärten oder Schulen.