Ein Haus im Zeichen des Geldes
Erst Haus des Schulten, dann Volksbankfiliale. Der Schultenhof ist schon 200 Jahre alt. Das merken die Nutzer auch heute noch.
Sprockhövel. „Neben der Zwiebelturmkirche ist es wohl das meistfotografierte Gebäude in Sprockhövel“, sagt Heinz-Otto Bosselmann und wirft einen liebevollen Blick auf den ehemaligen Schultenhof Leveringhaus am Ende der Hauptstraße in Niedersprockhövel. Für Bosselmann ist das prächtige zweigeschossige Fachwerkhaus, in dem heute die Immobilienabteilung der Volksbank „residiert“, mit besonderen Erinnerungen verbunden.
„Hier habe ich 1970 meinen Lehrvertrag bei der Volksbank unterschrieben“, berichtet der Sprockhöveler, der inzwischen zum Prokuristen der Bank und Leiter der Immobilienabteilung aufgestiegen ist. „Damals war hier die Schalterhalle mit der Kasse, und es haben hier — mich eingerechnet — zwölf Mitarbeiter gearbeitet. Der damalige Direktor Theo Plate hat im ersten Stock gewohnt, und auch das Hausmeisterehepaar war im Haus untergebracht“, erinnert sich Bosselmann.
Doch die Geschichte des attraktiven Hauses mit dem Krüppelwalmdach ist natürlich viel älter. Der Schultenhof wurde nach 1815 in traditioneller Fachwerkbauweise als Nachfolger des früheren Schultenhofes errichtet. Der Vorgängerbau war nach einer wohl aus den Fugen geratenen Jubelfeier anlässlich der Niederringung Napoleons abgebrannt. Wie der Name sagt, war es das Gebäude des „Schulten“, der ab dem 16. Jahrhundert die Aufgabe hatte, die Abgaben im Auftrage des Landesherrn einzutreiben. Das war damals der Graf von der Mark und Herzog von Kleve. Auch Henriette Davidis, die im wenige Meter entfernten Haus Heine (Heute: „Cafe Metamorphose“) als Erzieherin in der „Mädchenarbeitsschule“ arbeitete und immer noch als berühmteste deutsche Kochbuch-Autorin gilt, wohnte im stolzen Schultenhof. Der umfasste neben dem Hauptgebäude umfangreichen Grundbesitz und zahlreiche Nebengebäude, eine Mühle sowie eine Garnbleiche mit dazu gehörigem Teich. Gemeinsam mit der Zwiebelturmkirche gilt der Schultenhof als Keimzelle des Dorfes und der Bauernschaft Sprockhövel.
Häuser mit
Tradition
Als Pächter des Vorgängerbaus werden seit dem 16. Jahrhundert Angehörige der Familie von der Recke und Trinthammer erwähnt, während seit dem 18. Jahrhundert bis in die Nachkriegszeit die Familie Leveringhaus Pächter oder Besitzer des Schultenhofes war.
Die 1964 gegründete Volksbank erwarb das Gebäude 1966 mitsamt den vielen Zeugen der Vergangenheit, die in der Heimatstube an gleicher Stelle untergebracht wurden. Da die Volksbank expandierte, zog die Heimatstube mit ihren historischen Schätzen in ihr heutiges Domizil, das Gebäude in der Hauptstraße 85, um. Dennoch wurden die Räume für das Bankhaus zu klein, und es wurde wenige Meter entfernt das heutige Volksbankgebäude errichtet und der Schultenhof vermietet.
Ein Rechtsanwalt und ein Notar zogen ein, und dort, wo heute in einem Schaufenster auf zahlreichen Fotos Immobilien angeboten werden, wurde ein Fischgeschäft eröffnet, später dann — ein wenig lieblicher duftend — ein Blumenladen.
Plante die Volksbank zunächst einen Neubau für das Immobiliengeschäft zu errichten, besannen sich die Banker ihres fremd genutzten, vermieteten Prachtbaus und seit 1998 führen dort knapp 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Fach- und Finanzierungsgespräche für Häuser und Eigentumswohnungen. Natürlich mit moderner Bürotechnik, doch das Alter in Gestalt von historischen Türen und schmalen Treppen wird geehrt, schließlich steht das Gebäude seit 1983 unter Denkmalschutz. Und dem müssen vor allem die Mitarbeiter mit Gardemaß huldigen.
Baufinanzierungsspezialist Frank Gerisch zieht vorsorglich den Kopf ein, wenn er mit seinen 1,93 Metern Körpergröße sein Büro durch die alte hölzerne Tür mit Metallbeschlägen betritt. Noch problematischer wird es, wenn der Vorstandsvorsitzende Rudolf Hermanns das Immo-Center besucht. Der misst nämlich 2,01 Meter. „Aber das nimmt man angesichts der Atmosphäre, die dieses Haus ausstrahlt, gern in Kauf“ schmunzelt Heinz-Otto Bosselmann, der nicht ganz so groß ist. „Und auch die Kunden fühlen sich hier im Schultenhof genauso wohl meine Kolleginnen und Kollegen.“