Serie Berufe im Wandel: Krankenschwester
Christine Beckmann erinnert sich zurück, als der Papierkrieg noch kleiner und der Zeitanteil für Patienten größer war.
Haßlinghausen. Krankenhausmüll gab es Ende der 50er Jahre noch wenig. Alles wurde wieder verwendet: Die Glasspritzen wurden erst mit Seifenlauge und Alkohol gereinigt, dann ausgekocht. Die Katheder wurden gewaschen und die Tupfer fürs OP per Hand gedreht. "Die pflegerischen Arbeiten waren viel mehr als heute", erzählt Christine Beckmann. Der Papierkrieg war dafür kleiner - die wenigen Notizen übernahm die Stationsleiterin. Längst nicht jeder Handgriff wurde aufgezeichnet, wie das heute üblich ist.
Christine Beckmann machte von 1957 bis 59 ihre Ausbildung bei den Ordensschwestern des Wuppertaler St.-Josef-Hospitals. Wo sich heute die Krankenschwestern im Acht-Stunden-Takt abwechseln, musste damals von 6 bis 20 Uhr gearbeitet werden. "Da wurde nicht viel diskutiert", sagt die Haßlinghauserin. "Von Tag zu Tag entschied die Oberschwester, wer Freistunden nehmen oder schon mal um 13 Uhr nach Hause gehen durfte."
Alles dauerte länger: Den Blutdruck maßen die Schwestern in Schürzen und mit Häubchen auf dem Kopf noch mit dem Stethoskop, den Puls zählten sie mit Blick auf die Uhr. "Jeder Handgriff war mit viel Arbeit verbunden." Die Betten bewegten sich noch nicht selbsttätig und es gab nur einen Waschraum für die ganze Station. Ein Frühstücksbuffet wie heute für mobile Patienten war damals undenkbar. Jeder bekam sein Tablett mit fertig geschmierten Broten ans Bett gebracht. Im Operationssaal oder auf der Intensivstation piepten damals noch viel weniger Geräte.
"Als junge Schwester habe ich den Blick auf den Patienten gelernt. Wir fühlten an der Hand, ob der Patient einen Schock hat oder alles in Ordnung ist", erzählt die 66-Jährige. Häufig gab es noch keinen Anästhesisten, sondern der operierende Arzt setzte auch die Narkose.
Die Patienten waren in den 60er Jahren in der Regel jünger als heute, das Spektrum an Medikamenten dafür deutlich kleiner. Ebenso das Wissen der Patienten: "Heute wissen zwei Drittel schon über ihr Krankheitsbild Bescheid", sagt Christine Beckmann. In den 60ern hingegen hatten die Kranken große Ehrfurcht vor den "Halbgöttern in Weiß". "Wenn die Visite kam, wagten die keine Fragen zu stellen." Brav folgten die Patienten den Anweisungen und ließen sich höchstens von den Schwestern Fachbegriffe übersetzen.
Zur Person Christine Beckmann kam 1946 mit Eltern aus Oberschlesien nach Niedersachsen. 1954 zog sie mit ihrer Mutter nach Neuss und besuchte dort die Frauenfachschule.
Karriere 1957 bis 59 machte sie am Wuppertaler St.-Josef-Hospital die Ausbildung zur Krankenschwester, arbeitete dann für drei Jahre an der Frauenklinik Düsseldorf. Nach der Geburt ihrer Tochter 1965 arbeitete aber bald wieder als Urlaubsaushilfe am Klinikum Barmen. 1972 fing sie dort auf der Intensivstation an, die sie ab 1977 bis zur Pensionierung 1999 leitete.