Knapp einen Monat nach der Bundestagswahl hat sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) enttäuscht über das Abschneiden seiner Partei gezeigt. „Wir können als Union insgesamt mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden sein. Wir haben uns mehr vorgenommen“, sagte er am Dienstagabend in der ARD-Sendung „Maischberger“.
CDU und CSU wurden bei der Wahl im Februar mit insgesamt 28,5 Prozent der Zweitstimmen stärkste Kraft. Dass die Ampel-Parteien im Vergleich zu 2021 fast 20 Prozentpunkte verloren hätten, die Union aber nur knapp vier Prozentpunkte dazu gewann, „dann ist das kein gutes Ergebnis“, sagte er. „Friedrich Merz hat selber von 35 Prozent und mehr gesprochen, was drin sein sollte.“
Wüst fordert ehrliche Analyse zum Wahlkampf
Nach der Regierungsbildung brauche es eine ehrliche Analyse zum Wahlkampf, forderte Wüst. Das Thema Migration habe man selbst nicht hochgezogen. Die Gewalttat in Aschaffenburg im Januar, bei der ein Mann mit einem Messer einen zweijährigen Jungen und einen Mann getötet sowie zwei weitere Menschen schwer verletzt hatte, habe die Lage jedoch verändert. Durch das dann „auftretende Schweigen“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei eine „kommunikative Lücke“ entstanden, die von der AfD sofort besetzt worden sei.
Im Bundestag mit dem Fünf-Punkte-Plan zur Migrationspolitik zu reagieren, sei daher richtig gewesen, so Wüst. Ob das Thema den Parteien am Ende geholfen habe, daran könne man jedoch „große Zweifel haben“, sagte Wüst rückblickend. Dass der Antrag der Union nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit fand, hatte Anfang Februar heftige Proteste ausgelöst.
„Die Leute sind ja nicht blöd“
Dass die Union nach der Wahl - anders als noch im Wahlkampf - die Aufnahme hoher zusätzlicher Schulden befürwortete, habe aufgrund der weltpolitischen Lage zwar gute Gründe gehabt, sagte Wüst. Aber: „Wenn viele Leute das Gefühl haben, dass durch diese Beschlüsse zu Schuldenbremse und Sondervermögen eine andere Positionierung vorgenommen worden ist, dann ist das ja nachvollziehbar“. Es sei „schlicht die Wahrheit“, dass man die eigene Position geändert habe - da könne man nichts vormachen, sagte Wüst. „Die Leute sind ja nicht blöd.“
In einer Umfrage des ZDF-Politbarometers aus der vergangenen Woche sind 73 Prozent der Befragten - darunter 44 Prozent der CDU/CSU-Anhänger - der Meinung, die Union und ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz hätten mit ihren Finanzplänen die Wähler getäuscht.
Ministerpräsident appelliert bei Migrationspolitik an SPD
In den Koalitionsverhandlungen hofft Wüst bei der Migrationspolitik auf ein Einlenken des möglichen Regierungspartners. „Wenn es da schon Deutungsschlachten gibt mit der SPD, dann hat man vielleicht auch nicht ganz verinnerlicht, was die Wählerinnen und Wähler einem mit dem Wahlergebnis haben sagen wollen.“ Es sei aber nicht so, dass zwischen den Parteien „zwei Züge aufeinander rasen“, sagte Wüst. „Ich habe die große Hoffnung, dass man bei der SPD auch ein Stück weit das Ohr an der Basis hat.“
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