Geburtstagskonzert Aufführung in Wuppertal: „Die wildeste Liaison der Literaturgeschichte“

Wuppertal · Vertonungen der erotischen Liebesgedichte zwischen Gottfried Benn und Else Lasker-Schüler.

Die Protagonisten der Uraufführung (v.l. vorne): Fabian Hemmelmann (Bariton) und Dorothea Jakob (Sopran); (hinten rechts sitzend v.l.): Bernd Kuschmann (Rezitation), Hajo Jahn (Konzeption und Moderation, von der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft) und Julia Wolff (Rezitation)

Foto: Anna Schwartz

2025 ist das 80. Jahr nach der Befreiung von der NS-Diktatur und das 80. Todesjahr der am 11. Februar 1869 in Elberfeld geborenen Künstlerin Elisabeth Schüler. Die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft präsentierte als Geburtstagskonzert mit dem Titel „Giselheer und Prinz Jussuf“ eine Uraufführung der Vertonungen der erotischen Liebesgedichte zwischen Gottfried Benn und Else Lasker-Schüler, denn „selten ist Sex metaphorisch witziger und expressionistischer überhöht worden als in der poetischen Liaison von Else Lasker-Schüler und Gottfried Benn.“

Benn, Dichter, Essayist und Arzt traf Lasker-Schüler im Sommer 1912 und beide verband für knapp ein Jahr „die wildeste Liaison der Literaturgeschichte“.

Der 26 Jahre alte Benn ist 17 Jahre jünger als die 43-jährige Lasker-Schüler. Beide bedichten sich gegenseitig, zelebrieren ihr Verhältnis öffentlich, ihre Beziehungs-Lyrik erscheint in expressionistischen Zeitschriften wie „Die Aktion“ und „Schaubühne“ zum Mitlesen.

Lasker-Schüler, Star im damaligen Literaturbetrieb, liebte androgyne Rollenspiele und erklärte sich zum Prinz Jussuf von Theben, ist ein Paradiesvogel im wilhelminische Berlin mit kurzen Haaren, weiten Hosen und buntem Schmuck, ein Kontrapunkt zu dem protestantischen Pfarrersohn Benn, Mediziner und aufgehenden Stern am Dichterhimmel. Lasker-Schüler gibt ihm Spitznamen aus dem Nibelungenlied, nennt ihn unter anderem Giselheer.

Anhand von 14 Liebesgedichten konnten die Besucher in der voll besetzten City-Kirche die komplizierte Beziehung verfolgen. Mit Julia Wolff und Bernd Kuschmann waren zwei Rezitatoren gewonnen worden, die die Dramatik der Beziehung in den Gedichten wunderbar wiedergaben. „Der hehre König Giselheer stieß mit seinem Lanzenspeer mitten in mein Herz“, schrieb Lasker-Schüler und Benn dichtete zurück:

„Ich treibe Tierliebe. In der ersten Nacht ist alles entschieden. Man fasst mit den Zähnen, wonach man sich sehnt. Hyänen, Tiger, Geier sind mein Wappen.“ Lasker-Schüler erklärt ihren jungen Geliebten zum Dschungelkönig „Deine Tigeraugen sind süß“ und sich selbst zur zärtlichen Tigermutter: „Ich trage dich immer herum zwischen meinen Zähnen“, geantwortet von Benn „Ich bin Affen-Adam. Rosen blühn in mein Haar. Meine Vorderflossen sind schon lang und haarig. Baumast-lüstern. An den starken Daumen kann man tagelang herunterhängen.“

Kulturhistorische Erklärungen ergänzen und runden das Bild ab

Im Auftrag der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft vertonte der amerikanische Komponist Paul Terse (Klavier) diese Gedichte für Sopran und Bariton, gesungen von Dorothea Jakob und Fabian Hemmelmann. Man musste sich hineinhören in diese Vertonungen, die teils schwer und dramatisch wirkten, damit aber auch der komplizierten Beziehung entsprachen und sie widerspiegelten. Jakob gibt der Sehnsucht Lasker-Schülers Ausdruck „Wie ich sie liebe, deine Bubenhände, die zwei“ aus dem Gedicht „O, Deine Hände“.

Hemmelmann intoniert die teils düsteren Metaphern Benns „Du, dass wir nicht an einem Ufer landen! Du machst mir Liebe: blutigelhaft: Ich will von dir“ aus dem Gedicht „Drohungen“.

Hajo Jahn, Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, konzipierte und moderierte den Abend. Seine kulturhistorischen Erklärungen zwischen Gedichten und Liedern waren wertvolle Ergänzungen und rundeten das Bild ab.1913 trennten sich Giselheer und Jussuf. Benn dient sich, zumindest anfangs, den Nazis an.

Else Lasker-Schüler emigrierte 1933 nach Zürich und im Jahr 1939 nach Jerusalem, wo sie im Januar 1945 starb. 40 Jahre nach ihrer Affäre erinnerte sich Benn 1952 öffentlich an seine poetische Lehrmeisterin und nannte sie „die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte“.

Am 10. April folgt um 18 Uhr die zweite Aufführung im Musikinstrumenten-Museum in Berlin, Ben-Gurion-Straße. Rezitation: Angela Winkler und Michael Mendl.
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