Projekt Kä*the Christliche Rockband aus Wuppertal setzt sich für mehr Queerfreundlichkeit ein
Wuppertal · Am Freitagabend wird der Song „Kä*the“ im SCOT der Öffentlichkeit vorgestellt.
Im „Schülercafé und Offene Tür“ (SCOT) an der Hügelstraße 14 in Oberbarmen sind die Vorbereitungen für die Releaseparty in vollem Gange. Mitarbeiter hängen etliche Ballons in allen Regenbogenfarben an die Decke, das Equipment der christlichen Rockband C.Braz steht bereits auf der Bühne bereit. Am Freitagabend soll es losgehen, dann wird der Song „Kä*the“ der Öffentlichkeit vorgestellt.
„Seit gut anderthalb Jahren arbeiten wir daran. Was ursprünglich ‚nur‘ ein Lied war, hat sich mittlerweile zu einem großen Projekt entwickelt“, erzählt Holger Müller, Sänger von C.Braz, Diakon und Leiter des Schülercafés.
Am Hügel komme ein „bunter Haufen“ zusammen, täglich seien hier rund 60 Kinder und Teenager aus zwölf verschiedenen Nationen, mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen. Für sie gibt es hier ein Mittagessen, Betreuung, Workshops und AG’s sowie Spiel und Sport. „Wir sind ein wirklich offenes Haus – und trotzdem gibt es auch hier keinen richtigen Schutzraum, auch hier gibt es Anfeindungen oder ‚nur‘ Frotzeleien“, äußert Müller seine Sorgen. Dass es einmal im Monat einen Queeren Treff gibt, findet er einerseits toll, andererseits könne es aber nicht sein, dass es nur zu einem Tag und zu einer bestimmten Uhrzeit wirklich Sicherheit für diese Jugendlichen gebe. „Gerade in der Kirche muss eine ganz neue Willkommenskultur entstehen. Da reicht es nicht, außen eine Regenbogenflagge aufzuhängen, während es im Inneren ganz anders aussieht und Homosexualität in manchen Gemeinden oder Kontexten immer noch als Krankheit angesehen wird!“, macht Holger Müller seinen Standpunkt deutlich.
Müller packt die Dinge an und sagt deutlich seine Meinung. Das Wohl der Kinder und Jugendlichen in seiner Obhut liegt ihm am Herzen, das schwingt im Gespräch mit ihm immer mit. So auch das Wohl von Rüya. Die junge Frau stand vorletzten Sommer wieder vor der Tür des Schülercafés. „Vier Jahre lang habe ich sie nicht mehr gesehen. Und davor sah sie ganz anders aus.“ Geboren wurde sie als Junge in einer türkischen Familie mit muslimischem Glauben und an dem Tag ihrer Rückkehr hat sie Holger Müller ihre ganze Geschichte erzählt. Von ihrem Doppelleben, das sie lange Jahre führen musste, davon, dass sie nur am Hügel sie selbst sein konnte und hier in der Theater-AG aufblühte, wenn sie etwa Frauenrollen übernehmen durfte. Sechs Jahre war sie täglich hier, bis sie irgendwann nicht mehr auftauchte. „Ungewöhnlich ist das nicht, es passiert im Laufe der Zeit, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr kommen. Umso mehr freut es mich, dass sie jetzt wieder den Weg hierher gefunden hat.“
Für Rüyas Familie war es ein Unding, dass sie transsexuell ist. Gewalt- und Mordandrohungen habe sie erlebt, und als sie sich entschlossen hatte, den Kontakt zu ihrer Familie abzubrechen, musste sie alleine zurechtkommen. „Sie hat erzählt, dass die Wohnungssuche unglaublich schwierig und lange war, tagsüber hat sie gearbeitet, nachts ist sie in einer Notschlafstelle und später im Frauenhaus der Diakonie untergekommen.“
Trotzdem hat sie es geschafft und zeigt sich und ihre Geschichte mittlerweile ganz offen. „Ich bin unglaublich fasziniert von ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Mut, den auch all die Widrigkeiten der vergangenen Jahre nicht zerstört haben“, fasst Holger Müller seine eigene Gefühlslage zusammen. Entsprechend wichtig war es für ihn, die Geschichte in einem Song zu verarbeiten. „Und den wollte ich zunächst ihr persönlich schenken.“ In Absprache mit Rüya ist das Projekt jedoch gewachsen. Inzwischen soll es nicht nur Rüya Mut machen, sondern für alle Jugendlichen eine Unterstützung dafür sein, den eigenen Weg zu finden und zu wissen, dass sie dabei nicht alleine sind.
An dem Projekt „Kä*the“ sind 15 bis 20 Menschen beteiligt, die sich in verschiedenen Arbeitsgruppen je nach Interesse und Können aufgeteilt haben. Am Chor, der im Hintergrund zu hören ist, sind rund 70 Menschen beteiligt. Das Medienprojekt Wuppertal hat einen Film über Rüya gemacht, in den sozialen Medien gibt es eine Solidaritätsaktion unter dem Motto „Ich bin Käthe“. Unterstützung kommt auch vom Kirchenkreis.
„Ich hoffe, dass das Projekt noch viele Menschen erreichen wird und vor allem zum Nachdenken und Handeln anregt“, so Müller. Schon jetzt habe es bewirkt, dass die Aktiven enger zusammengeschweißt wurden und die Diskussionen über Queerfreundlichkeit innerhalb des Schülercafés nicht abreißen.